Sonntag, 21. Dezember 2014

Rorate, caeli desuper, et nubes pluant iustum

4. Adventsonntag
Tauet, ihr Himmel, von oben! Ihr Wolken, regnet herab den Gerechten! Tu dich auf, o Erde, und sprosse den Heiland hervor! (vgl. Jes 45,8)

Während die Menschen sich in ihre Alltagsgeschäfte verstrickt haben, kommt Gott zunächst ganz unscheinbar auf die Erde, wie der Tau, der die Wiesen tränkt. Der Gerechte liegt in der Krippe. Und doch hat sein Kommen die Welt verändert. Lasse ich zu, dass er auch in mein Leben kommt?

Montag, 15. Dezember 2014

Gaudete in Domino semper

3. Adventsonntag
Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Denn der Herr ist nahe (Phil 4,4.5).

Den Christen soll die Freude ins Herz und ins Angesicht geschrieben sein. Der Advent als Zeit der Vorbereitung ist kein Anlass, voll Trauer und Angst durch den Tag zu gehen. Und so soll auch das Leben der Christen als adventliches Leben von der Freude, nicht von der Angst geprägt sein.

Sonntag, 7. Dezember 2014

Populus Sion, ecce Dominus veniet ad salvandas gentes

2. Adventsonntag
Der Herr wird kommen, um die Welt zu erlösen. Volk Gottes, mach dich bereit. Höre auf ihn, und dein Herz wird sich freuen (Jes 30,19.30)

Keiner wird uns helfen, so denken vielen. Hilf dir selbst, nichts anderes wirkt. Aber der Advent ruft genau das Gegenteil aus. Ich soll mich bereit machen, dass Gott selbst in mein Leben eintritt und es zum Besseren verändert. Die Erlösung kann ich nicht selbst machen, aber ich muss sie zulassen. Ich muss die Türen öffnen, dass Jesus in mein Herz kommen kann.


Welche Bedeutung hat das „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“ für unser (geistliches) Leben?

Genau neun Monate vor Maria Geburt feiern wir die Empfängnis Marias. Katholiken bekennen, dass Maria vom ersten Moment ihres Lebens an durch die Gnade Gottes von der Erbsünde bewahrt blieb. Damit hat Gott sie darauf vorbereitet, die Mutter Jesu Christi zu werden. Dieses Fest hat eine mehrfache Bedeutung für das eigene geistliche Leben.

1. Maria wurde durch dieselbe Gnade vor der Erbsünde bewahrt, die alle Getauften von der Erbsünde befreit. Damit wird deutlich, dass Maria eine von uns ist, die an Gott glaubt und sich von Gott retten lässt.

2. Gott hat Maria für eine schwere Aufgabe berufen, die weit über die menschliche Kraft geht. Dafür hat er sie durch die Gnade vorbereitet. Wenn Gott Menschen beruft, schenkt er ihnen zugleich Gaben, Talente, Charismen, mit denen sie die Herausforderungen bestehen können.

3. Gott schaut vom ersten Moment des Lebens an auf uns Menschen. Jedes Kind ist kostbar, weil Gott es wie Maria schon im Mutterleib beim Namen gerufen hat, ehe noch ein anderer Mensch bemerkt, dass es da ist.

Montag, 1. Dezember 2014

Ad te levavi animam meam, Deus meus

1. Adventsonntag
Zu dir, Herr, erhebe ich meine Seele. Mein Gott, dir vertraue ich. Lass mich nicht scheitern, lass meine Feinde nicht triumphieren! Denn niemand, der auf dich hofft, wird zuschanden. (Ps 25 [24],1-3)

Der Advent beginnt mit einem Aufruf an mich selbst: Erhebe dich! Es ist Zeit, aufzuwachen und sich zu bewegen. Viel zu lange schon schlummert der Glaube, niedergehalten vom Alltag. Jesus möchte mir begegnen, heute! Christen sollen immer im Advent leben, im Bewusstsein, dass es Zeit ist, dass wir unseren Glauben jetzt leben sollen, nicht aufgeschoben auf einen anderen Tag.

Montag, 10. November 2014

Das Wort Gottes und die Bibel

Am Ende einer Lesung heißt es: “Wort des lebendigen Gottes”. Weil wir von der Inspiration durch den Heiligen Geist ausgehen, nennen wir die Bibel Heilige Schrift. Was aber bedeutet Inspiration und wie könnten wir uns das Wirken des Geistes vorstellen?

Wenn man davon ausgeht, dass der Bibeltext sozusagen vom Heiligen Geist diktiert wurde und der Schreiber (Schreiberinnen vermutlich selten) einfach Wort für Wort mitgeschrieben hat, spricht man von Verbalinspiration. Dann ist jedes Wort unanfechtbar, ja sogar jeder Buchstabe, wie das etwa die Kabbalisten annehmen. Dann ist das Wort Gottes mit den Worten der Bibel identisch. Wenn ich dann etwas nicht verstehe, ist das allein meine Schuld. Ich muss mich einfach mehr bemühen oder die richtigen Leute fragen.

Wenn man aber davon ausgeht, dass Menschen von etwas erzählen, das von Gott gewirkt wurde, dass also die Geschehnisse mehr erzählen, als wir auf den ersten Blick vermuten, nennt man das Realinspiration. Die Israeliten sind durch das Rote Meer gezogen und haben dabei erfahren, dass Gott sie aus der Gefangenschaft führt. Davon erzählen sie. Die Aufgabe der Interpretation ist dann, Ereignisse als Wirken Gottes an seinem Volk zu verstehen.

Wirkt der Heilige Geist aber auf den Schreibenden selbst (und im übrigen auch auf die Lesenden), dann ist von Personalinspiration die Rede. Dann ist Inspiration ein dialogischer Vorgang zwischen Gott und Menschen. Wenn andere diese Texte lesen, dann ist ihre Aufgabe, sich sozusagen am Dialog zu beteiligen, wozu der Heilige Geist auch hilft. Das heißt aber, die Schrift als Wort Gottes zu lesen, ist nur im Glauben möglich - und das gilt jedenfalls auch für die anderen beiden Modelle.

Das Zweite Vatikanische Konzil favorisiert die letzte Vorstellung, das Erste Vatikanische Konzil und das Konzil von Trient lassen die Frage offen. Die Rede der Personalinspiration ist deshalb von Vorteil, weil sie Inspiration als einen lebendigen Vorgang fasst und weil sie manche Widersprüche schon im Ansatz verhindert. Was mit den anderen Vorstellungen gesagt werden möchte, dass sich Gott untrüglich in der Schrift mitteilt, das ist dabei auch aufgenommen. 

Sonntag, 2. November 2014

Wie soll man sich die leibliche Auferstehung vorstellen?

Als Christen glauben wir, dass wir einmal mit Leib und Seele auferstehen werden. Aber wir wissen nicht, wann, wo und wie das genau sein wird. Nicht nur ein geistiges Prinzip oder sozusagen die Software, die den Körper steuert, wird zur Auferstehung kommen, sondern das ganze Menschsein wird neu werden. Die Kirche glaubt also, dass die Auferstehung auch eine Erneuerung des Leibes bedeutet.
Leib ist mehr, als das Fleisch und die Knochen. Mein Leib verändert sich im Lauf des Lebens. Körperzellen sterben ab, neue entstehen, mein Aussehen wandelt sich. Durch meinen Leib bin ich ein Teil der Welt und gehöre zu ihrer Geschichte.
Werde ich im Himmel alt oder jung sein? Manchmal findet man die Vorstellung, ich würde mit dem Leib von 33 Jahren auferstehen, dem Alter Christi. Das ist ein Bild. Leibliche Auferstehung meint Begegnung mit Gott, mit meinem ganzen Leben, meiner Geschichte und meinen Beziehungen, ganz neu in einer ganz neuen Welt, nicht alt oder jung, sondern in der Fülle des Lebens.

Montag, 27. Oktober 2014

Gedanken zu einer theologischen Sprachlehre

Die Entwicklung einer theologischen Sprachlehre ist ein Desiderat. Aber sie ist notwendig, weil sie helfen kann, eine Not der Kirche und des Glaubens heute zu wenden: die Sprachlosigkeit. Die Verkündigung der Kirche gelangt nicht bis zu ihren Adressaten, weil sie nicht verstanden wird. Die Theologie löst Kopfschütteln aus, weil ihre Sprache jenseitig scheint. Daran ändert es auch nichts, dass Unmengen an Papier bedruckt und Legionen von Websites befüllt werden. Und es tröstet auch nicht, dass es in allen anderen Bereichen der Gesellschaft ähnlich aussieht. Obwohl sehr viel geredet und geschrieben wird, haben wir sehr oft den Eindruck, viele hätten nichts mehr zu sagen und würden schon gar nichts verstehen.

Es gibt eine Vielzahl von Formen, den Glauben zur Sprache zu bringen: Gebet, Zeugnis, Verkündigung, Katechese, Theologie, um nur einige zu nennen. Die Formen gehen ineinander über, aber es tut nicht gut, wenn sie vermischt oder gar verwechselt werden. Theologie ist nicht Verkündigung, aber beide brauchen einander. Wer Theologie treibt kann nicht zuerst fragen, wie kann ich diese Theologie gewissermaßen am besten verkaufen, sondern muss danach trachten, sachgerecht nach Antworten zu suchen. Der theologische Diskurs braucht einen geschützten Raum, damit er sich entfalten kann. Aber man darf nicht bei einem Binnendiskurs stehen bleiben, der sich gegen jede Einmischung von außen immunisiert. Was in diesem Raum wächst, muss auch hinausgepflanzt werden, um sich den Anfragen der Zeit zu stellen. Wer hingegen verkündigt, muss zuerst auf die Fragen der Menschen achten, sonst kann es sein, ja ist sogar sehr wahrscheinlich, dass die gegebenen Antworten ins Leere gehen. Eine solche Verkündigung wird kein Interesse finden - und das zurecht, denn sie ist “tönendes Blech”. Dann hilft auch die Klage nichts, dass angeblich heute kein Interesse am Glauben bestehe. Daran ist eine solche Verkündigung selbst schuld. Aber auch eine gelingende Verkündigung muss immer fest in der Theologie verankert sein, damit sie nicht versandet, sondern wirklich den Glauben ins Wort bringt, nicht sich selbst.

Theologische Sprache ist nie nur denotativ, als ob sie nur ewige, unveränderliche, wahre Sätze in einem logischen Puzzle zu verknüpfen hätte. Sie hat immer eine performative Ausrichtung, muss die Glaubensrede ins Heute übersetzen. Denn Theologie hat es mit dem Glauben zu tun, der meine eigene, existentielle Antwort auf die Anrede Gottes an mich ist, hier und heute. Daher kann die Theologie nicht bei einer sterilen, im Labor entwickelten Antwort stehen bleiben. Das macht sie anspruchsvoller. Sie muss immer nach dem Konkreten Fragen. Sie geht auch vom Konkreten aus, von Jesus, den wir als den Christus bekennen, den Sohn Gottes, der uns den Geist gesandt hat. Spürt man diesen Heiligen Geist in unserer theologischen Sprache?

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Ich glaube - glaubst du?

Wenn man aus der Kirche Ausgetretene fragt, wie es jetzt um ihren Glauben steht, dann sagen viele: “Mein Glaube bleibt, daran hat sich nichts geändert.” Aber meinen sie damit den Glauben der Kirche, den Glauben an den Dreifaltigen Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist? Wenn sie diesen Glauben teilen, wie können sie dann öffentlich, vor einer staatlichen Stelle, mit einer schriftlichen Urkunde, sagen: Der Gemeinschaft, die das glaubt, will ich nicht mehr angehören? Oder hatten sie den Glauben vielleicht ohnehin schon vorher nicht mehr? Dann müsste man doch sagen, der Glaube, den sie vorher hatten und jetzt noch immer haben, war nicht der christliche Glaube. Doch halt, bevor irgendjemandem Glaube abgesprochen wird oder auch der Kirchenaustritt verharmlost! Ich frage grundsätzlicher: Was bedeutet es überhaupt, dass die Gläubigen in der Gemeinschaft der Katholischen Kirche einen gemeinsamen Glauben haben?

Wer getauft wird, muss sich zum gemeinsamen Glauben bekennen, indem der die Fragen des Apostolischen Glaubensbekenntnisses mit “Ich glaube” beantwortet. Sicher, bei den meisten haben das noch die Eltern getan, doch ehrlich, wir hatten bei Erstkommunion, Firmung, in der Osternacht und an jedem Sonntag genug Gelegenheit, das nachzuholen und zu erneuern. Die Kirche ist eine Glaubensgemeinschaft. Seit es in Mitteleuropa nicht mehr selbstverständlich ist, katholisch zu sein, seit die konstantinische, staatlich gestützte Religiosität zu Ende geht, wird das jeden Tag deutlicher. Natürlich gibt es vielerlei andere Gründe und Anlässe, die Menschen zur Kirche bringen: Vorbilder, die schöne Liturgie, das Gemeinschaftsgefühl, das soziale Engagement etc. Das ist alles wertvoll. Aber es muss zum gemeinsamen Glauben führen, denn sonst trägt es nicht.

Dieser gemeinsame Glaube hat es nicht zuerst mit irgendwelchen Dingen oder Sätzen zu tun, sondern mit Gott selbst, mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Aus der gemeinsamen Erfahrung der Begegnung mit dem lebendigen Dreifaltigen Gott durch die Geschichte der Kirche ist das Glaubensbekenntnis gewachsen. Diese Erfahrung ist der große Schatz der Kirche, aus dem sie jeden Tag neu lebt. In diesen Schatz bringen auch heute noch die Gläubigen ihre eigene Glaubenserfahrung ein. Das geht aber nur in der gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem Glauben. “Ich glaube” zu sagen bedeutet auch, sich immer wieder neu fragen zu lassen: “Glaubst du wirklich?”, “Was glaubst du?” Wer zur Kirche dazu gehört, beantwortet diese Fragen, vielleicht nicht immer leicht, aber immer gerne, weil der Glaube ein persönliches Anliegen ist.

Donnerstag, 25. September 2014

Glauben und zweifeln

Wer über den Glauben redet, kommt um den Zweifel nicht herum. Während Atheisten, Skeptiker und Gegner gläubigen Menschen vorhalten, sie würden sich gegen den Zweifel immunisieren, hat unlängst das geistliche Oberhaupt der anglikanischen Kirchengemeinschaft, der Erzbischof von Canterbury Justin Welby, von Glaubenszweifeln gesprochen, nämlich von den eigenen. Er selbst habe Zweifel an der Existenz Gottes. “There are moments, sure, where you think ‘Is there a God? Where is God?’” Er selbst fügte noch hinzu, das sollte ein Erzbischof von Canterbury nicht sagen. Denn, so scheint es, ein Erzbischof darf nicht zweifeln, er hat (gefälligst, möchte man sagen) den Gläubigen seiner Kirche mit gutem Beispiel und mit einem festen, unerschütterlichen Glauben voranzugehen.

Im Hebräerbrief gibt es so was wie eine Definition des Glaubens. Da heißt es: “Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht” (Hebr 11,1). Das würde ja einmal gut klingen, zumindest für einen europäisch denkenden Menschen, der es gerne klar und geradlinig hat. Aber von dieser Definition ist im ganzen folgenden Kapitel nicht mehr die Rede. Stattdessen werden Glaubensgeschichten erzählt, von Menschen, die Gott berufen hat, die aber auch erst langsam und durch Zweifel hindurch wirklich zum Glauben kommen. Sind Abraham oder Mose etwa “festgestanden im Glauben”, als sie mit Gott diskutiert haben?

Wenn der Glaube ausschließlich für eine Form von Wissen gehalten wird, dann kann er nur entweder da sein oder nicht. Wenn er auf diese Weise da ist, stellt er zum Wissen eine Konkurrenz dar. Ist Glaube aber eine Form von Vertrauen, dann geht es viel mehr um Beziehung, Dialog und Miteinander. Dann ist Glaube an Gott aber ein Weg, den ich als Mensch mit Gott gemeinsam und auf Gott zu gehe. Und genau darum geht es, wenn man der Schrift folgt. Gott hat mich angesprochen. Die angemessene Antwort darauf ist der Glaube, der sich in meinem Leben verwirklicht. Weil er dabei aber konkret werden muss, ist er immer mit Zweifeln gespickt. Es gibt Irrwege, unklare Abzweigungen, Fehleinschätzungen und manchmal fällt Nebel ein, der das Ziel verdeckt. Wenn der Glaube aber durch den Zweifel gegangen ist, wird er für gewöhnlich stärker, wie die Israeliten Gott auch erst auf dem langen Weg durch die Wüste in vierzig Jahren besser kennengelernt haben. Und so ist es gut, nicht nur trotz Zweifeln zu glauben, sondern auch durch den Zweifel zu erfahren, wie wertvoll der Glaube wirklich ist.

Dienstag, 9. September 2014

Orte des Glaubens

Demnächst beginnt wieder die Vorlesung “Grundfragen der Dogmatik”. Zu diesem Bereich hat der Grazer Dogmatiker Bernd Körner ein höchst wertvolles neues Buch geschrieben: Orte des Glaubens - loci theologici. Studien zur theologischen Erkenntnislehre (Würzburg 2014).

Die theologische Erkenntnislehre hat ohnedies heute eine schwierige Aufgabe, denn nach dem herrschenden Vorurteil, wonach zu glauben bedeutet, nichts zu wissen, ist der Zusammenhang von Wissen und Glauben problematisch. Wie soll man davon reden, dass man über den Glauben etwas wissen kann? Und wenn überdies der Glaube eine subjektive Angelegenheit ist, es also so vielerlei Glauben gibt wie Gläubige, was kein geringerer als Papst Benedikt XVI. betont hat, wie kann man sich dann überhaupt über den Glauben austauschen? Bleibt dann nicht alles im Subjektiven?

Beides spielt für die christliche Theologie eine Rolle: 1. Christen, zumindest für katholische kann ich hier authentisch sprechen, halten den Glauben für eine vernünftige Sache. Der Glaube an Gott ist nicht etwas Absurdes, sondern auf die Vernunft hingeordnet. Ich kann nur aus freier Entscheidung heraus glauben, und das nur weil ich das als geistiges, freies und vernünftiges Wesen möchte. Dazu braucht es auch ein gewisses Maß an Überzeugung, die aber nur durch Erkenntnis und Erfahrung gewonnen werden kann. 2. Glaube muss immer auch subjektiv sein, er ist nämlich die Antwort auf das Wort, dass Gott an mich selbst gerichtet hat. Wenn ich den Ruf Gottes in meinem Leben nicht spüre oder bewusst zu verdrängen trachte, kann ich nicht glauben. Über diese Antwort auf den Ruf Gottes kann ich mich mit anderen austauschen, weil auch sie so etwas verspüren. Bei der Verkündigung und bei jedem Glaubensgespräch muss ein Sprung von meinem eigenen, subjektiven Glauben zu einem objektiven Glaubenswissen gelingen, denn nur darüber kann ich ja reden. Anders gesagt, ein Glaubensgespräch ist immer ein Gespräch über gedeutete Erfahrungen.

Damit ist auch die Funktion der “Orte” und “Räume” des Glaubens klar. Sie ermöglichen Erfahrungen, die ich allein oder wir gemeinsam machen können. Wenn wir gemeinsam Orte aufsuchen, dann können wir diese Erfahrung auch teilen. Die Jünger sind gemeinsam mit Jesus nach Jerusalem gegangen. Diese Erfahrung des Miteinanderseins der Jünger mit Jesus ist konstitutiv für die Texte des Neuen Testaments und die Bildung der frühen Gemeinden. Aus dieser Erfahrung lebt die Kirche bis heute. Aber nur als einer, der selbst den Glauben erfahren hat, kann ich an diesem Glauben auch Anteil haben.

Der einzig mögliche Weg für die Theologie ist also, Orte der Glaubenserkenntnis aufzusuchen, die Heilige Schrift, die Tradition, die Kirche, die Geschichte, das Leben, und dort zu fragen, wie sich das Wirken Gottes in der Welt und an den Menschen zeigt. Nur wenn man eigene menschliche Erfahrungen im Gespräch so deuten kann, dass sie anderen verständlich werden, hat Wissenschaft insgesamt einen Sinn. Dann gilt das aber auch für Glaubenserfahrungen und für die Theologie als Wissenschaft.

Dienstag, 26. August 2014

Schuld und Sühne

So hat man den Titel des berühmten Romans von Fjodor Dostojewski meist übersetzt, während für die neueste Übersetzung “Verbrechen und Strafe” bevorzugt wird. Der russische Originaltitel “Prestuplenije i nakasanie” lässt sich nicht leicht übersetzen. Vermutlich liegt die richtige Wiedergabe für unser heutiges Sprachempfinden irgendwo zwischen diesen beiden Varianten.

Heute redet man allerdings nicht mehr gerne über Schuld und Sünde, diese beiden Begriffe scheinen in eine große Mottenkiste zu gehören. Letzte Woche war ich auf Wallfahrt und habe darüber nachgedacht, dass früher Menschen auf Wallfahrt gegangen sind, um Vergebung für ihre Sünden zu erlangen. Aber wer braucht heute noch Vergebung, in einer Zeit, in der niemand selbst sündigt, daher niemand selbst Schuld auf sich geladen hat. Schuld haben, so entsteht zumindest der Eindruck, immer andere. Dann brauche ich auch nicht um Entschuldigung zu bitten, und so etwas Antiquiertes wie Sühne hat ausgedient.

So richtig es scheint, so falsch ist es. Sühne hat nichts damit zu tun, dass jemand bestraft wird oder freiwillig Leid auf sich nehmen muss für sich selbst oder andere. Und schon gar nicht geht es um Rache. Sühne kommt von der Versühnung, die nach einer Lautverschiebung uns heute als Versöhnung bekannt ist. Wenn eine Beziehung zu anderen Menschen oder auch zu mir selbst und letztlich zu Gott zerbrochen ist, braucht es eine Versöhnung. Die führt aber nie zu einem früheren Zustand zurück, wo scheinbar noch alles in Ordnung war, sondern verlangt immer nach einem Neuanfang. Davor muss die Schuld bewusst abgetragen, die Sünde aufgearbeitet werden.

Einen solchen Neuanfang brauche ich immer wieder. Und die Wallfahrt ist jedesmal ein Neuanfang. Vielleicht ist daher die Idee, auf Wallfahrt zu gehen, um Sünde und Schuld loszuwerden, gar nicht so unaktuell. Vieles erscheint nach der Wallfahrt klarer, ich habe Motivation und Kraft, neu anzufangen und vielleicht auch den Mut, die eine oder den anderen um Entschuldigung zu bitten. Und dann ist Sühne heilsam, eine Wohltat.

Dienstag, 19. August 2014

Christen auf Wallfahrt

Anders als in der Religion Israels zur Zeit des Tempels oder im Islam kennt das Christentum keine verpflichtenden Wallfahrten. Gott kann überall angebetet und verehrt werden, am besten “im Geist und in der Wahrheit”, wie Jesus selbst sagt (Joh 4,23-24). Und dennoch machen sich viele Christen auf den Weg, viele davon zu Fuß. Die Wallfahrt nach Santiago de Compostela, der “Camino”, wird sogar von vielen Menschen gegangen, die sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Auch für mich selbst ist das Wallfahren eine wichtige, schöne Erfahrung. So Gott will werde ich mich mit einer kleinen Gruppe demnächst wieder auf den Weg machen.

Christsein heißt unterwegssein, und so ist eine Wallfahrt ein Bild des christlichen Lebens. Der Glaube beginnt mit einer Erneuerung, einer Bekehrung, einem Aufbruch. Zuerst muss ich von dem Vertrauten weggehen, vieles zurücklassen, was mir vielleicht lieb geworden ist, aber mich oft auch behindert. Genauso ist es bei der Wallfahrt. Ich gehe von zu Hause weg und kann nur das Nötigste mitnehmen. Die Erfahrung sagt allzu oft, dass sogar das, was ich für das Nötigste hielt, noch oftmals viel zu viel ist.

Am Weg kann man nur sein, wenn man ein Ziel hat. Wer das Ziel vergisst, läuft nur mehr ziellos umher und ist unzufrieden. Am Weg sein heißt auch, mit dem auszukommen, was es unterwegs gibt, und den Leuten am Weg freundlich, nämlich in der Art von Freunden zu begegnen. Wer sich bewusst ist, dass als Mensch zu leben unterwegssein bedeutet, hat einen anderen Zugang zum Leben als die, die darin die letzte Gelegenheit sehen und sich deshalb an allem festklammern müssen. Die Erfahrung der Wallfahrt ermöglicht, Manches zurückzulassen und Dinge zu sehen, die mir sonst verborgen bleiben, wenn ich total in meinen Alltag eingespannt bin. Unterwegssein heißt aber auch, sich auf den Weg konzentrieren, einmal bewusst zu gehen und mich nicht gehen zu lassen, die eigenen Füße spüren und dabei auch die Grenzen anerkennen.

Die Motivation für das Gehen geht vom Ziel aus. Der Blick richtet sich nach vorne, ich gehe auf etwas zu. Gleich ob Jerusalem, Rom, Santiago oder Mariazell, wenn ich mein Wallfahrtsziel erreiche, begegne ich Gott. Jedes Ankommen ist ein Stück Erfüllung und macht mich sicher, dass mein Leben nicht nur einfach so dahinläuft. Oft haben wir Menschen vor dem Ankommen Angst, machen Aufgaben nicht ganz fertig, wollen etwas Erledigtes nicht abgeben und haben besonders Angst vor dem Tod. Wenn etwas endgültig ist, also am Ende gilt, dann muss ich die Verantwortung übernehmen, darf es aber auch aus der Hand geben. Wo nur die eigene Leistung zählt, habe ich Angst, es könnte immer noch etwas zu wenig sein. Bei Gott aber zähle ich selbst, so wie ich bin, mit allen Unzulänglichkeiten. Das erfahre ich am eigenen Leib, wenn ich am Ziel meiner Wallfahrt ankomme.

Dann gilt es, wieder in den Alltag zurückzukehren und die Erfahrungen der Wallfahrt mitzunehmen. Das ist nicht leicht. Denn im Alltag bin ich noch nicht am Ziel des Lebens. Wenn ich aber die Erfahrung des Ankommens gemacht habe, ist für meinen Weg etwas Entscheidendes gewonnen, das mir das Leben leichter macht.

Viele Christen gehen heute gerne auf Wallfahrt, weil sie ihren Glauben damit ganz direkt am eigenen Leib erfahren können. In einer Zeit, in der kein Raum und vor allem keine Zeit für eigene Erfahrungen ist, tut das sehr gut. Auch ein glaubender Mensch braucht solche leibhaftigen Erfahrungen. Wer einmal seine ganze Kraft investiert hat, um zu pilgern, weiß, wie viel er auf der Wallfahrt und im Leben geschenkt bekommen hat, weiß, was Gott für sein Leben bedeutet.

Mittwoch, 13. August 2014

Kirchen im Deutschen Reich, oder: Was hätte ich getan?

Dieser Tage wird einiger Märtyrer gedacht, die von Nationalsozialisten getötet wurden. Am 8. August Edith Stein, die als Karmelitin den Namen Sr. Theresia Benedicta a Cruce trug und als Jüdin in Auschwitz umgebracht wurde; am 13. August Jakob Gapp, der 1943 in Berlin Plötzensee hingerichtet wurde, weil er offen gegen das Regime eintrat; am 14. August Maximilian Kolbe, der 1941 für einen Familienvater in Auschwitz in den Hungerbunker ging und dort starb. Sie und viele andere Priester, Ordensleute und einfache Gläubige sind für ihren Glauben und gegen die nationalsozialistische Ideologie eingetreten und wurden dafür getötet.

Wie aber steht es um das Verhältnis der Kirche generell zum Nationalsozialismus? Oftmals wird heute an diese Glaubenszeugen erinnert. Freilich hat es auch andere gegeben, Kollaborateure oder begeisterte Anhänger des Führers. Und viele haben sich einfach ruhig verhalten. Während für die einen ganz klar Nationalsozialismus mit dem Glauben unvereinbar ist, die Kirchen daher immer als Elemente des Widerstands gesehen werden, behaupten andere, die Kirche habe eigentlich sich den Machthabern angedient, nur eine Minderheit habe Widerstand geleistet, die auch noch von den eigenen Leuten dafür in Gefahr gebracht worden sei. Und für alle Positionen gibt es Belege. Die Fakten sind nicht klar und eindeutig, wie ja auch die Wirklichkeit selten eindeutig ist.

Freilich stellt sich für mich auch noch eine andere Frage. Von welcher Warte aus lässt sich heute beurteilen, welches Handeln richtig gewesen wäre? Wie kann ich heute sagen, was damals ein Bischof, ein Pfarrer oder ein einfacher Katholik hätte tun sollen? Wenn man die einschlägigen Veröffentlichungen liest, entsteht der Eindruck, wir heute wären alle überzeugte Anhänger des Widerstands gewesen und hätten Adolf Hitler in Bausch und Bogen abgelehnt. Aber was wussten die Menschen damals wirklich? Und mit welchem Recht verurteile ich einen Bischof heute, dem damals jemand eingeredet hatte, das Regime sei gut für die Kirche, weil es ja den so gefürchteten Kommunismus bekämpfe? Dass der Kampf gegen die Kirche noch viel schlimmer würde, war nicht für alle vorauszusehen. Und wie soll ich jemandem vorhalten, dass er Sympathie für eine Politik empfand, die ihm mitten in der Wirtschaftskrise Arbeit versprach und brachte, auch wenn damit dann Waffen gebaut wurden?

Mögen diese Zeiten nie wieder kommen. Und ich hoffe, dass ich keiner politischen Verführung erliege, die ein neues Unrechtsregime an die Macht bringt. Es gibt dafür keine Garantie, auch für Christen nicht. Aber zumindest gibt der Glaube einen klaren Weg vor, sich nicht von irdischen Mächten führen zu lassen, denn: “Einer ist euer Führer, euer Führer ist Christus, wenn ihr Ihm die Treue haltet, werdet ihr niemals verloren gehen”, wie der viel geschmähte Wiener Kardinal Theodor Innitzer 1938 sagte.

Donnerstag, 17. Juli 2014

Nur wer Fragen hat, kann auch glauben

Augustinus schreibt: “Die Menschen können fragen” (homines autem possunt interrogare, Conf X,6,10), was hinter den Dingen liegt. Sie können, aber sie müssen nicht. Deshalb gibt es auch keine Garantie, dass alle Menschen die Schönheit der Schöpfung erkennen oder gar aus der Schöpfung zum Glauben kommen. Aber zum Glauben kommen nur die, die Fragen haben und sich mit den Antworten auseinandersetzen, heißt es weiter: “Sie antworten nur dem Frager, der auch Urteil hat” (nec respondent ista interrogantibus nisi iudicantibus). Glaube gibt es also immer nur dort, wo es auch Fragen gibt und die Auseinandersetzung mit diesen Fragen möglich ist.

Vor wenigen Wochen ist ein Mann gestorben, der mich tief beeindruckt hat. Er hatte viele Fragen und hat sie auch gestellt. Ja er hat sie so lange gestellt, bis ihm ein Vertreter der Kirche gesagt hat, er möge aufhören zu fragen. Fragen sind nicht immer angenehm, aber sie sind wichtig, ja unverzichtbar. Die Zukunft der Kirche und die Zukunft der Menschheit hängt davon ab, dass viele Menschen ihre Fragen stellen und sich damit auseinandersetzen. Der christliche Glaube hält das aus, er ist nämlich auf den Verstand ausgerichtet. Das zeigt sich in der Heiligen Schrift oft, wenn die Israelten mit Gott diskutieren oder die Jünger mit Jesus.

Es gibt keinen Grund, Angst vor Fragen zu haben. Der eigentliche Fehler passiert dann, wenn jemand aus Angst, Unwissenheit oder Faulheit Fragen übergeht oder verbietet. Das ist des Glaubens unwürdig.

Montag, 14. Juli 2014

Wer glaubt wird selig

Für gewöhnlich verwendet man diese Redewendung, um Menschen als leichtgläubig hinzustellen. Das wahre Ziel ist zu wissen. Wer aber etwas nicht weiß, und es doch glaubt, wenn es ihm gesagt wird, der befindet sich in einem Zustand seliger Dummheit oder auch dummer Seligkeit. Er ist glücklich mit dem, was er zwar nicht weiß, aber trotzdem akzeptieren kann.

Doch ist dieser moderne Alltagssprachgebrauch nicht besonders genau, ja auch nicht richtig. Dabei werden nämlich sowohl der Gebrauch des Wortes glauben als auch des Adjektivs selig verkürzt. Denn glauben bedeutet nicht nur, einen Sachverhalt als richtig annehmen, den ich nicht weiß oder nicht wissen kann. Vielmehr hängt glauben immer mit vertrauen zusammen. Ich kann dir glauben, weil du mir vertrauenswürdig erscheinst. Erst dann kann ich etwas glauben. Und unser ganzes Leben funktioniert nicht, wenn ich nicht willens bin, anderen zu glauben, den Eltern, den Lehrern, anderen Menschen. Das aber ist kein Akt von Schwäche, sondern von Vertrauen und echter Menschlichkeit. An Gott zu glauben heißt, ein Vertrauen in den Ursprung zu haben, der alles trägt. Nur wer solches Grundvertrauen hat, wird auch den Glauben finden. Deshalb sagt die Theologie, der Glaube ist eine Gnade. Er gelingt nur denen, denen es geschenkt ist.

Was selig sein bedeutet, davon lässt sich etwas erahnen in Momenten des Glücks. Freilich lässt sich ein ähnliches Gefühl auch billiger haben, wenn die Stimmung gut ist, gute Emotionen sich entladen konnten, bei Musik oder auch im Alkohol- oder Drogenrausch. Aber diese Seligkeit ist sehr vergänglich. Sie ist am Morgen wieder vorbei. Ihr fehlt die Beständigkeit. Und so kann ich mich zwar über Unwissenheit hinwegtäuschen mit einfachen Botschaften - und viele Diktatoren haben sich dieser Methode bedient, um Menschen zu verführen - aber es wird sehr bald klar, was eigentlich wichtig ist. Und so kann eine Selbsttäuschung auch zu einer Art Glücksgefühl führen, aber es ist kein echtes Glück, sondern ebenso nur ein vorgetäuschtes.

Wer wirklich glaubt, weil er vertrauen kann, der weiß hingegen auch, dass echter Glaube nicht gegen das Wissen steht, sondern zur Versöhnung mit dem Wissen gelangen will und wird. Wer so glaubt, wird auch selig, weil er ein offenes Herz für die Menschen hat. Nur auf die Weise gelangt er zum Guten.

Dienstag, 8. Juli 2014

Medium und Message

The medium is the message, so sagt man oft heute, in einer Zeit, in der Medien jeder Art eine überragende Rolle spielen. Das Zitat, das von Marshall McLuhan stammt, weist auf etwas Zentrales hin. Was ausgesagt werden soll, lässt sich von der Art der Aussage nie völlig trennen. So ist es nicht gleich, ob ich mit der Füllfeder einen Brief schreibe, ein e-Mail oder eine Kurznachricht, ob ich jemandem ein Post-It an die Tür hefte oder eine Nachricht hier über diesen Blog verbreite. Selbst wenn der Text der gleiche wäre, wäre die Botschaft anders. Trotzdem gibt es auch mediale Formen, die nichts anderes als Hülsen sind. Das merkt man, wenn sie Inhalte transportieren, die keine Botschaft enthalten. Dann mag zwar die Form schön sein, aber ansprechend ist sie trotzdem nicht.

Auch das Christentum hat eine Message, das Evangelium, die Frohe Botschaft von Jesus Christus. Er selbst ist der Überbringer des Evangeliums von Gott und der Inhalt. Dieser Mittler ist selbst seine Botschaft. Die Christen wieder sollen das Evangelium in die Welt weitertragen. Dabei ist es wesentlich, dass Botschaft und Medium zusammenpassen. Die Verkündigung gelingt nur denen, die selbst von Jesus ergriffen sind, so wie Paulus von sich selbst schreibt. Das Evangelium wird man nur denen Glauben, denen es damit auch spürbar ernst ist.

Ist also die Krise der Kirche eine Krise der Verkündigung und ihrer Methoden? Nein, denn Methoden hatten wir noch nie so viele. Ja, denn wenn die Christen selbst die einzig überzeugende Methode sein können, dann müssen sie sich selbst kritisch fragen, wie ernst es ihnen mit ihrem Glauben ist.

Montag, 2. Juni 2014

Ohne dein lebendig Wehn nichts im Menschen kann bestehn

Die Tage zwischen Himmelfahrt und Pfingsten sind in der katholischen Liturgie traditionell mit der Erwartung des Heiligen Geistes verbunden, sie dienen sozusagen der Vorbereitung auf das Pfingstfest. Fünfzig Tage nach Ostern, am jüdischen Schawuot oder Wochenfest, feiern Christen Pfingsten, pentekoste heißt griechisch der fünfzigste (Tag). An diesem Tag kam, so erzählt die Apostelgeschichte, der Heilige Geist auf Maria, die Apostel und einige andere herab. Vom Geist getrieben stießen sie die verschlossenen Türen auf und verkündeten Christus allen Menschen in Jerusalem, also konkret den Juden aus aller Welt.
Das Thema könnte dazu verleiten, lang und ausführlich weiterzuerzählen, wie der Heilige Geist in den Frühzeiten der Kirche gewirkt hat, oder was sich in der Bibel alles dazu findet. Vielleicht hole ich das bei Gelegenheit nach. Hier aber soll etwas anderes im Mittelpunkt stehen. Ich bin nämlich der Überzeugung, dass der Heilige Geist auch heute wirkt und überdies meine ich, dass alle dieses Wirken erleben können. Wie aber wirkt der Geist in allen Menschen oder zumindest in allen Getauften?
Heutzutage wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass Menschen selbstverantwortlich und selbstbefähigt sind. Ich kann und soll alles selbst entscheiden, selbst durchführen, niemand kann mich zwingen. Jeder Gedanke, dass Gott in mein Leben eingreift oder hier auch nur irgendwie einwirkt, scheint mich schwach zu machen. Deshalb ist die ganze traditionelle Gnadenlehre in Verruf geraten, weil sie angeblich die Menschen nur schlecht redet.
Völlig deplatziert scheint daher auch eine Strophe aus der Pfingstsequenz (12. Jh., Stephan Langton zugeschrieben):

Sine tuo numine    Ohne dein lebendig Wehn
Nihil est in homine,    Nichts im Menschen kann bestehn,
Nihil est innoxium.    Nichts ohn’ Fehl und Makel sein.

Freilich ist es nicht so, dass der Mensch von sich aus nur sündigen kann, alles andere aber ein anderer für ihn tun muss. Der Mensch an sich wäre also nur schlecht. Das würde der bleibenden Zusage Gottes an die Schöpfung widersprechen: “Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und es war sehr gut” (Gen 1,31). Und doch sagt die menschliche Erfahrung, dass das radikal Gute für Menschen schwer zu erreichen ist. Viel zu viele Irrwege, Ablenkungen und auf alle Fälle ständig der Blick auf mich selbst halten mich davon ab, dass das Gute gelingt. Dann aber gelingt es mir doch, oft völlig unerwartet und nur, weil mir irgendetwas zugeflogen ist, mir jemand geholfen hat oder etwas wider erwarten einfach gegangen ist. So wirkt der Heilige Geist, unerwartet und doch spürbar. 

Sonntag, 20. April 2014

Ostern, 20. April 2014

Der Engel aber sagte zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier, denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht euch die Stelle an, wo er lag. Dann geht schnell zu seinen Jüngern und sagt ihnen: Er ist von den Toten auferstanden. Er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen. Ich habe es euch gesagt. (Mt 28,5-7)

Das erste Wort des Engels macht Mut. Wir haben sehr viel Angst, bis heute, aber die Frauen, die Jünger, wir alle brauchen keine Angst mehr zu haben, keine Angst vor dem Tod und keine Angst vor den anderen Menschen. Denn Christus ist vom Tod erstanden. Er lebt, ist mitten unter uns und begleitet uns auf unseren Wegen. In dieser Zuversicht kann ich Ostern feiern.

Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden! Halleluja!

Samstag, 19. April 2014

Karsamstag, 19. April 2014

Josef aus Arimathäa war ein Jünger Jesu, aber aus Furcht vor den Juden nur heimlich. Er bat Pilatus, den Leichnam Jesu abnehmen zu dürfen, und Pilatus erlaubte es. Also kam er und nahm den Leichnam ab. Es kam auch Nikodemus, der früher einmal Jesus bei Nacht aufgesucht hatte. Er brachte eine Mischung aus Myrrhe und Aloe, etwa hundert Pfund. Sie nahmen den Leichnam Jesu und umwickelten ihn mit Leinenbinden, zusammen mit den wohlriechenden Salben, wie es beim jüdischen Begräbnis Sitte ist. An dem Ort, wo man ihn gekreuzigt hatte, war ein Garten, und in dem Garten war ein neues Grab, in dem noch niemand bestattet worden war. Wegen des Rüsttages der Juden und weil das Grab in der Nähe lag, setzten sie Jesus dort bei. (Joh 19,38-42)

Karsamstag ist der Tag der Grabesruhe. Jesus geht zu den Toten. Er ist mit den Menschen auch im Tod solidarisch. Die Jünger waren alle geflohen, nur ein reicher Mann aus dem Hohen Rat der Juden und ein führender Pharisäer sorgen für ein würdiges Begräbnis. Sie erweisen ihm diesen letzten Dienst. Wie gehe ich mit dem Tod und unseren Toten um? So ist heute auch eine Gelegenheit, für die Verstorbenen zu beten, besonders für die, an die keiner mehr denkt.

Freitag, 18. April 2014

Karfreitag, 18. April 2014

Danach, als Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war, sagte er, damit sich die Schrift erfüllte: Mich dürstet. Ein Gefäß mit Essig stand da. Sie steckten einen Schwamm mit Essig auf einen Ysopzweig und hielten ihn an seinen Mund. Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf. (Joh 19,28-30)

Sie geben ihm Essig. Er trinkt davon und stirbt dann. Mit einfachen Worten schildert der Evangelist Johannes den Tod Jesu. Ein trauriges, gleichzeitig unscheinbares Geschehen. Wie viele sind damals am Kreuz gestorben, wie viele wurden und werden bis heute hingerichtet, allzu oft unschuldig. Aber der Tod Jesu ist nicht das Ende der Geschichte, des Evangeliums. Weil Jesus auferstanden ist, ist auch unser Tod der Übergang zu neuem Leben.

Donnerstag, 17. April 2014

Gründonnerstag, 17. April 2014

Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war. (Joh 13,3-5)

Die Füße waschen ist ein niederer Dienst an den Anderen. Im Zeitalter der Hygiene sind Menschen heute meist ganz sauber. Und doch brauchen viele den Dienst der Anderen, manche weil sie körperlich gebrechlich sind, andere weil sie seelisch schwach sind. Auf die Anderen zugehen und sich zu ihrem Diener zu machen hat uns Jesus vorgelebt. Komme ich dem nach?

Mittwoch, 16. April 2014

Mittwoch der Karwoche, 16. April 2014

Darauf ging einer der Zwölf  namens Judas Iskariot zu den Hohenpriestern und sagte: Was wollt ihr mir geben, wenn ich euch Jesus ausliefere? Und sie zahlten ihm dreißig Silberstücke. Von da an suchte er nach einer Gelegenheit, ihn auszuliefern. (Mt 26,14-16)

Wieviel ist Jesus wert? 30 Silberstücke, sagt das Evangelium. Wieviel ist uns Jesus heute wert? Um welchen Preis bin ich bereit, auf meinen Glauben und meine Menschlichkeit zu verzichten? Die 30 Silberstücke sind auch heute schnell gegeben.

Dienstag, 15. April 2014

Dienstag der Karwoche, 15. April 2014

Als Jesus mit seinen Jüngern bei Tisch war, wurde er im Innersten erschüttert und bekräftigte: Amen, amen, das sage ich euch: Einer von euch wird mich verraten. (Joh 13,21)

Jesus weiß, dass sie nicht alle mit ihm mitgehen werden. Er weiß, dass er verraten wird und sterben muss. Trotzdem geht er seinen Weg. Christsein ist nicht immer leicht, macht nicht immer nur Freunde und ist manchmal auch riskant. Aber nur wer mutig den Weg geht, kann mit Jesus zur Auferstehung gelangen.

Montag, 14. April 2014

Montag der Karwoche, 14. April 2014

Da nahm Maria ein Pfund echtes, kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihrem Haar. Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt. Doch einer von seinen Jüngern, Judas Iskariot, der ihn später verriet, sagte: Warum hat man dieses Öl nicht für dreihundert Denare verkauft und den Erlös den Armen gegeben? (Joh 12,3-5)

Maria gibt sich ganz Jesus hin und tut alles für ihn. Judas, der später zum Verräter wird, sucht hingegen einen anderen Zweck. Warum etwas für Jesus ausgeben, Teures für ihn verwenden, sich ganz auf ihn konzentrieren? Es ist gut, etwas für die Armen zu tun. Aber wer nur rechnet und den vermeintlich günstigsten Weg sucht, geht an der Sache selbst vorbei. Wer sich nicht ganz auf Jesus einlässt, wird das Leben in ihm nicht gewinnen.

Sonntag, 13. April 2014

Palmsonntag, 13. April 2014

Das ist geschehen, damit sich erfüllte, was durch den Propheten gesagt worden ist: Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist friedfertig, und er reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers. (Mt 21,4-5)

Jesus ist König, aber nicht wie ein irdischer Herrscher. Sein Thron ist das Kreuz, sein Sieg die Auferstehung. Er kommt, um die Welt zum Guten zu verwandeln. Wer sich von ihm ergreifen lässt, der ist schon gewandelt.

Samstag, 12. April 2014

Samstag der 5. Fastenwoche, 12. April 2014

Einer von ihnen, Kajaphas, der Hohepriester jenes Jahres, sagte zu ihnen: Ihr versteht überhaupt nichts. Ihr bedenkt nicht, dass es besser für euch ist, wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht. Das sagte er nicht aus sich selbst; sondern weil er der Hohepriester jenes Jahres war, sagte er aus prophetischer Eingebung, dass Jesus für das Volk sterben werde. Aber er sollte nicht nur für das Volk sterben, sondern auch, um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln. (Joh 11,49-52)

Wie viele wissen, was scheinbar gut für alle ist. Gute Ratschläge auf Kosten anderer sind an der Tagesordnung. Jesus soll sterben, weil es für das politische Kalkül gut ist. Zu Ostern wird aber aus dem Opportunismus des Kajaphas die Erlösung für alle Menschen, weil Gott eingreift und seinen Sohn auferweckt.

Freitag, 11. April 2014

Freitag der 5. Fastenwoche, 11. April 2014

Wenn ich nicht die Werke meines Vaters vollbringe, dann glaubt mir nicht. Aber wenn ich sie vollbringe, dann glaubt wenigstens den Werken, wenn ihr mir nicht glaubt. Dann werdet ihr erkennen und einsehen, dass in mir der Vater ist und ich im Vater bin. (Joh 10,37-38)

Man kann sich gegen Jesus sperren. Man kann sich gegen Gott wehren oder auch ihm einfach gleichgültig gegenüberstehen. Gott erfahren kann ich nur, wenn ich für das Gute sensibel bin, das um mich herum geschieht. Dann erkenne ich die Werke, die Jesus für mich tut.

Donnerstag, 10. April 2014

Donnerstag der 5. Fastenwoche, 10. April 2014

Amen, amen, ich sage euch: Wenn jemand an meinem Wort festhält, wird er auf ewig den Tod nicht schauen. (Joh 8,51)

Das Wort Jesu, das Evangelium schenkt Leben, schon hier auf Erden und erst recht in Ewigkeit. Nur in seinem Wort, ja nur in ihm selbst, ist der Tod überwunden.

Mittwoch, 9. April 2014

Mittwoch der 5. Fastenwoche, 9. April 2014

Jesus sprach zu den Juden, die an ihn glaubten: Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien. (Joh 8,31-32)

Die Wahrheit ist oft schmerzhaft und nicht leicht zu tragen. Wer Jesus nachfolgt, muss sich aber darum bemühen. Umkehr und Versöhnung können nur mit der Wahrheit gelingen. Wenn ich anderen und mir selbst etwas vorlüge, dann ist kein Neuanfang möglich.

Dienstag, 8. April 2014

Dienstag der 5. Fastenwoche, 8. April 2014

Da sagte Jesus zu ihnen: Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, dass Ich es bin. Ihr werdet erkennen, dass ich nichts im eigenen Namen tue, sondern nur das sage, was mich der Vater gelehrt hat. Und er, der mich gesandt hat, ist bei mir; er hat mich nicht allein gelassen, weil ich immer das tue, was ihm gefällt. (Joh 8,28-29)

Wer Jesus wirklich ist, wird erst durch das Kreuz deutlich und das auch nur für die, die sich im Glauben öffnen. Jesus handelt nämlich nicht für sich selbst und von sich selbst aus, sondern immer im Namen Gottes, seines Vaters. Wenn ich sein Jünger sein will, muss ich auch das tun, was Gott von mir will.

Montag, 7. April 2014

Montag der 5. Fastenwoche, 7. April 2014

Er richtete sich auf und sagte zu ihr: Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt? Sie antwortete: Keiner, Herr. Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr! (Joh 8,10-11)

Keiner hat die Ehebrecherin verurteilt, weil alle darauf gewartet haben, dass Jesus das Urteil spricht. Sie gehen weg und sind verärgert. Sie hätten ja gewusst, wie er urteilen und verurteilen soll. Jesus aber handelt anders. Die Sünde ist nicht einfach weggewischt, sondern benannt. Aber weil Jesus auf die Verurteilung verzichtet, gibt er der Frau ihre Würde zurück und ermöglicht ihr einen Neuanfang.

Sonntag, 6. April 2014

5. Fastensonntag, 6. April 2014

Jesus erwiderte ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das? Marta antwortete ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll. (Joh 11,25-27)

Es geht nicht um Worte, Vorschriften, Gebote oder ein Lebenskonzept. Es geht um Jesus selbst. Marta weiß nicht, was sie erwartet. Sie trauert noch um ihren toten Bruder Lazarus. Aber sie vertraut sich Jesus an. Christsein heißt, sich selbst und das eigene Leben Jesus anvertrauen. Dann wird der Glaube zur Lebensquelle.

Samstag, 5. April 2014

Samstag der 4. Fastenwoche, 5. April 2014

Als die Gerichtsdiener zu den Hohenpriestern und den Pharisäern zurückkamen, fragten diese: Warum habt ihr ihn nicht hergebracht? Die Gerichtsdiener antworteten: Noch nie hat ein Mensch so gesprochen. (Joh 7,45-46)

Die Gerichtsdiener wurden ausgeschickt, um Jesus zu holen. Sie hätten sich auf ihren Auftrag berufen und ihn einfach mitnehmen können, ohne zu überlegen. Aber sie haben zugehört, sich ihre eigene Meinung gebildet und danach gehandelt. Sie haben die Begegnung mit Jesus in ihrem Leben zugelassen.

Freitag, 4. April 2014

Freitag der 4. Fastenwoche, 4. April 2014

Während Jesus im Tempel lehrte, rief er: Ihr kennt mich und wisst, woher ich bin; aber ich bin nicht in meinem eigenen Namen gekommen, sondern er, der mich gesandt hat, bürgt für die Wahrheit. Ihr kennt ihn nur nicht. Ich kenne ihn, weil ich von ihm komme und weil er mich gesandt hat. (Joh 7,28-29)

Wie oft bilde ich mir ein, ich wüsste, was Gott will: Ich weiß es, kein anderer. Jesus sagt zu seinen Gegnern: Ihr wisst, wer ich bin und was ich tue. Aber weil ihr selbst schon beschlossen habt, was richtig für euch ist, deshalb könnt ihr gar nicht entdecken, worauf es wirklich ankommt.

Donnerstag, 3. April 2014

Steinigung Jesu – Steinigung heute

Im Johannesevangelium zeichnet der Evangelist einen immer deutlicher werdenden Konflikt zwischen Jesus und manchen jüdischen Autoritäten, der dann letztlich in die Auslieferung an Pilatus mündet. Nachdem er die Steinigung einer Ehebrecherin verhindert hat mit den Worten: “Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein” (Joh 8,7), wird von verschiedenen Auseinandersetzungen erzählt. Jesus spricht über sich selbst, sein Verhältnis zum Vater und über die Taten der “Juden” (gemeint sind wohl Sadduzäer und Pharisäer). Mehr und mehr spitzt sich die Debatte zu, und nun wollen sie ihn steinigen, sie haben nämlich die Steine schon in der Hand (Joh 8,59; 10,31). Sie werfen ihm Gotteslästerung vor, Religionsfrevel. Was zunächst noch eine Auseinandersetzung um Gesetzesauslegung war, wird nun zu einer direkten, persönlichen Konfrontation. Jesus geht ihr nicht aus dem Weg. Obwohl er um die Gefahr weiß, geht er nach Jerusalem (Joh 11,8).

Die Steinigung ist in vielen alten Religionen belegt. Sie ist für schwere religiöse Vergehen vorgesehen. Damit soll alles Unreine aus dem Volk entfernt werden. Die Aufgabe einer kultischen Religion ist ja, die Gläubigen rein zu machen und so für die Begegnung mit Gott vorzubereiten. Jene, die nicht zur Glaubensgemeinschaft gehören, sind unrein. So zumindest die Vorstellung. In manchen Teilen der Erde wird sie heute noch oder sogar wieder praktiziert, obwohl sie uns zurecht völlig unzeitgemäß scheint.

Obwohl wir Steinigungen für barbarisch halten und völlig ablehnen, hat die moderne Gesellschaft viele Formen gefunden, Menschen auf andere Weise vorzuführen und zu “steinigen”, etwa im Gespräch, beim Tratschen hintenherum, über die Medien oder im Internet.

Das geschieht aus religiösen Motiven, so wenden sich fundamentalistische Moslems in vielen Teilen der Welt gegen Christen und andere Gläubige, Atheisten und säkulare Menschen gegen gläubige, aber auch Christen gegen die Angehörigen anderer Konfessionen oder sogar katholische, orthodoxe oder evangelische Gläubige gegeneinander. Und das Motiv ist immer das gleiche: die “richtigen” Gläubigen wollen die “falschen” Gläubigen entfernen, ja vernichten. Wo Menschen glauben, gibt es Auseinandersetzungen um den rechten Glauben. Und weil es beim Glauben um eine existentielle Sache geht, gehen die Konfrontationen tief ins Persönliche.

Das geschieht aber auch in der Gesellschaft, so bekämpfen einander die Angehörigen verschiedener politischer Gruppierungen, unterschiedlicher Nationalitäten und Schichten, Inländer und Ausländer, Nachbarn, Reiche und Arme, Frauen und Männer, Junge und Alte, Partner und Expartner, Menschen mit verschiedenen Ansichten und Gefühlen usw. Auch hier ist die Motivation im Grunde dieselbe: die “Richtigen” wollen die “Falschen” entfernen. Die Unterscheidung von “rein” und “unrein”, “drinnen” und “draußen”, “richtig” und “falsch” spielt in der Religion deshalb eine Rolle, weil sie urmenschlich ist.

Die Botschaft Jesu geht über diese Unterscheidung hinaus. Gott “lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte” (Mt 5,45). Die Feindes- und Nächstenliebe ist sehr schwer. Sie ist aber geboten, weil Gott alle Menschen liebt. Christen sollen vollkommen sein, wie Gott vollkommen ist (Mt 5,47). Ein erster Schritt dorthin ist, die Steine niederzulegen und nicht auf die anderen zu werfen.

Donnerstag der 4. Fastenwoche, 3. April 2014

Wie könnt ihr zum Glauben kommen, wenn ihr eure Ehre voneinander empfangt, nicht aber die Ehre sucht, die von dem einen Gott kommt? (Joh 5,44)

Mein Glaube hat mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Ich werde mir oft selbst zum Hindernis, weil ich mir Anerkennung und Ehre bei den anderen erwarte. Die Ehre, die von Gott kommt, ist anders. Da zählt das Gute, das oft unbemerkt und manchmal ganz wie von selbst geschieht.

Mittwoch, 2. April 2014

Mittwoch der 4. Fastenwoche, 2. April 2014

Amen, amen, ich sage euch: Die Stunde kommt, und sie ist schon da, in der die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden; und alle, die sie hören, werden leben. Denn wie der Vater das Leben in sich hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben in sich zu haben. (Joh 5,25-26)

Der Glaube an Jesus Christus schenkt Leben. Aber das geschieht nicht immer und überall, sondern nur dann, wenn ich mich darauf einlasse, wenn ich die Stunde erkenne. Die Stunde Jesu ist am Karfreitag, sein Tod am Kreuz, der in die Auferstehung übergeht.