Dienstag, 24. Dezember 2013

Weihnachten, in der Nacht

Evangelium
In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war. In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen, und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.
(Lk 2,1-14)

Das Weihnachtsevangelium ist uns ganz und gar vertraut. Es trägt zu einer schönen, trauten weihnachtlichen Stimmung bei. Aber wenn ich höre, wie der Engel eine große Freude für alle im Volk verkündet, können doch Zweifel kommen. Ist die Geburt eines Kindes in der Krippe wirklich Anlass zur Freude? Von Anfang an wird Jesus vielen Feindschaften ausgesetzt sein, die ihn letztlich auch ans Kreuz bringen. Auch heute noch sind seine Jünger, die Christen, an vielen Orten von Feinden bedroht. Wir leben im Frieden und die Schwierigkeiten, die wir für unseren Glauben zu erleiden haben, sind vergleichsweise gering. Aber einfach ist die Geburt des Erlösers in dieser unwirtlichen Welt keineswegs. Und doch dürfen wir uns freuen, weil wir von Gott schon erlöst sind und die Weihnachtsfreude mit allen Menschen, die guten Willens sind teilen dürfen. So kann der Weihnachtsfriede, der vom Kind in Betlehem ausgeht, wachsen.

Sonntag, 22. Dezember 2013

4. Adventsonntag LJ A (22. Dezember 2013)

Evangelium
Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete - durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns. Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.
(Mt 1,18-24)

Während Lukas davon erzählt, wie der Engel Maria die Geburt Jesu Christi verkündet, nimmt Matthäus den Mann Mariens, Josef in den Blick. Nach dem Verständnis des Alten Testamentes ist er ein Gerechter, ein vorbildlicher Gläubiger. Josef steht in einer schwierigen Situation. Seine Verlobte erwartet ein Kind. Im Traum erscheint ihm ein Engel und er erfährt das ganz und gar Unerwartete: Dieses Kind ist nicht ein “Ausrutscher”, sondern Gottes Plan für die Welt. Und so nimmt Josef Maria mit dem Kind zu sich und damit seine Berufung für das Heil der Welt an. Gott ruft uns manchmal in Situationen, die völlig unmöglich erscheinen, und will mit uns Gutes wirken.

Dienstag, 17. Dezember 2013

Maranatha! Komm, Herr Jesus!

Der Ruf Maranatha gehört zu den ältesten Christlichen Gebeten. Das aramäische Wort bedeutet soviel wie “Komm, unser Herr” und findet sich im ersten Korintherbrief (16,22) und in der frühchristlichen Gemeindeordnung Didache. Am Ende der Offenbarung des Johannes (22,20) heißt es: Komm, Herr Jesus.
Im Advent beten Christen immer wieder: Komm, Jesus. Es ist ein sehnsuchtsvoller Ruf, der Ausdruck eines Wunsches. Ich mag dieses Gebet. Gleichzeitig wird mir dabei aber manchmal ganz bang: Möchte ich Jesus wirklich jetzt und heute in meinem Leben haben? Bin ich denn für eine unmittelbare Begegnung mit ihm bereit? Ist es nicht besser, Jesus hält sich aus meinem so chaotischen und unfertigen Leben noch ein Weilchen fern, bis ich besser gerüstet bin?
Weihnachten ist ein schönes Fest, im Kreis der Lieben begangen, Zeit zur Versöhnung, zu einem schönen Miteinander. Aber die Geburt Christi fordert mich auch heraus, Christus in meinem Leben Raum zu geben. Dafür braucht es auch die Zuversicht, denn nur dann kann er mein Leben zum Besseren verwandeln. Der Barockdichter Angelus Silesius schreibt so unübertroffen:

“Wär Christus tausendmal zu Betlehem geboren
und nicht in Dir, du wärst doch ewiglich verloren.”
Und so mischt sich in meinen Weihnachtsfrieden eine heilsame Unruhe, die mich davon abhält, mit dem bisschen, was ich vor mir sehe, sofort zufrieden zu sein. In meinem Leben ist noch Platz für Jesus. Wenn er Platz findet, dann kann ich anderen Menschen mehr Raum geben und dann auch für mich Raum finden. So ist Weihnachten die Zeit, sich selbst zu erneuern, bewusster Schritte zu setzen, mein Leben mit mehr Freude und Zuversicht, dafür ohne Angst zu führen. Maranatha! Komm, Herr Jesus!

Sonntag, 15. Dezember 2013

3. Adventsonntag LJ A (15. Dezember 2013)

Evangelium     
In jener Zeit hörte Johannes im Gefängnis von den Taten Christi. Da schickte er seine Jünger zu ihm und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten? Jesus antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt. Als sie gegangen waren, begann Jesus zu der Menge über Johannes zu reden; er sagte: Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt? Oder was habt ihr sehen wollen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Mann in feiner Kleidung? Leute, die fein gekleidet sind, findet man in den Palästen der Könige. Oder wozu seid ihr hinausgegangen? Um einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch: Ihr habt sogar mehr gesehen als einen Propheten. Er ist der, von dem es in der Schrift heißt: Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen. Amen, das sage ich euch: Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer; doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.
(Mt 11,2-11)


Zwei bedrängende Fragen finden sich in diesem Evangelium. Da ist einmal die bange Frage des Täufers: Bist du es? Sollte es etwa wirklich schon so weit sein? Dahinter könnte der Gedanke stehen: Vielleicht haben wir noch Zeit, vielleicht können wir noch ein wenig so weitermachen wie bisher. Jesus nimmt Johannes die Frage aber nicht ab. Er sagt nur: Schau was passiert und dann antworte selbst. Wie groß ist die Versuchung, heikle Fragen auf andere abzuwälzen, damit ich mich selbst nicht bewegen muss. Jesus verlangt, sich selbst den Problemen zu stellen.
Die zweite Frage ist nicht minder unangenehm: Was habt ihr sehen wollen? Johannes ist nicht so, wie ihn sich die Menschen erwartet hätten. Es geht um die Sache, nicht um ihre eigenen Wünsche. Die erste Herausforderung des Täufers ist, sich von seinen eigenen Vorstellungen zu lösen und bereit zu sein für das Neue.

Sonntag, 8. Dezember 2013

Mariae Empfängnis (8. Dezember 2013)

Evangelium
In jener Zeit wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben. Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich. Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.
(Lk 1, 26-38)

Heuer fällt das “Hochfest der ohne Erbsünde emfpangenen Jungfau und Gottesmutter Maria” mit dem zweiten Adventsonntag zusammen. Wir feiern neun Monate vor ihrer Geburt (8. September) ihre Empfängnis. Sie ist vom ersten Moment ihres Daseins an für ihren Dienst erwählt. Maria ist voll der Gnade, denn nur so kann sie der Berufung Gottes folgen. Daher wird auch an diesem Fest das Evangelium von Ihrer Berufung, die Verkündigung der Geburt des Erlösers, gelesen. Gott sendet seinen Engel und kündigt an, dass er etwas Großes tun wird, mit Marias Hilfe. Sie muss zuerst einwilligen, das aber kann sie nur aus dem Glauben, den sie von der Gnade bekommen hat. Als Gläubige ist Maria Teil und Urbild der Kirche, also eine von uns. Dass sie ja gesagt hat, das macht sie so besonders.

2. Adventsonntag LJ A (8. Dezember 2013)

Evangelium                                                                                                     
In jenen Tagen trat Johannes der Täufer auf und verkündete in der Wüste von Judäa: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe. Er war es, von dem der Prophet Jesaja gesagt hat: Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften; Heuschrecken und wilder Honig waren seine Nahrung. Die Leute von Jerusalem und ganz Judäa und aus der ganzen Jordangegend zogen zu ihm hinaus; sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen. Als Johannes sah, dass viele Pharisäer und Sadduzäer zur Taufe kamen, sagte er zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt? Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt, und meint nicht, ihr könntet sagen: Wir haben ja Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen. Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. Ich taufe euch nur mit Wasser (zum Zeichen) der Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe auszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Schon hält er die Schaufel in der Hand; er wird die Spreu vom Weizen trennen und den Weizen in seine Scheune bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.
(Mt 3, 1-12)

Ich weiß ja schon, wie es richtig ist. Warum sollte ich einem Dahergelaufenen trauen, der sagt, meine Welt ist nicht in Ordnung? So denken viele heute und so dachten sicher viele gläubige Juden damals in Israel. Die Rede von der Umkehr ist unangenehm, weil sie die alten Gewohnheiten durcheinanderbringt. So war auch Johannes der Täufer für viele eine Herausforderung. Sie haben ihm zwar gerne zugehört, aber folgten sie seiner Botschaft? Johannes predigt nicht sich selbst, sondern weist auf einen anderen hin, auf Jesus. Auch heute gibt es Propheten. Sie sind oft unangenehm und fordern uns heraus. Wie unterscheidet man die richtigen von den falschen Propheten? Man erkennt sie daran, dass sie nicht von sich selbst sprechen, sondern andere zu Jesus führen.

Sonntag, 1. Dezember 2013

1. Adventsonntag LJ A (1. Dezember 2013)

Evangelium
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Sofort nach den Tagen der großen Not wird sich die Sonne verfinstern, und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Danach wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen; dann werden alle Völker der Erde jammern und klagen, und sie werden den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen. Er wird seine Engel unter lautem Posaunenschall aussenden, und sie werden die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, von einem Ende des Himmels bis zum andern. Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. Genauso sollt ihr erkennen, wenn ihr das alles seht, dass das Ende vor der Tür steht. Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater. Denn wie es in den Tagen des Noach war, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein. Wie die Menschen in den Tagen vor der Flut aßen und tranken und heirateten, bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging, und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte, so wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein. Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen und einer zurückgelassen. Und von zwei Frauen, die mit derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen. Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt. Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht. Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.
(Mt 24,29-44)


Wann ist es soweit? So fragen Kinder oft, wenn es auf Weihnachten zugeht. Jesu Frage hier ist aber umgekehrt: Es ist schon soweit. Seht ihr es nicht? Nein, sagt er, vermutlich werdet ihr es nicht bemerken, vor allem nicht, wenn ihr nicht bereit seid. Wir haben viele Zeichen zu deuten gelernt, sagt Jesus. Aber wissen wir auch, wann es im Leben wirklich ernst wird? Als Wohlstandsbürger haben sich die meisten von uns gut im Leben eingerichtet. Der Alltag läuft nahezu problemlos vor sich hin, das Leben ist gesichert. Da ist es nicht nötig, sich selbst zu ändern oder gar auf etwas ganz Anderes zu schauen. Advent ist die Gelegenheit, wieder etwas von dem Ballast, der sich von selbst in meinem Leben angesammelt hat, zur Seite zu räumen und nach dem Wesentlichen in meinem Leben zu fragen.


Mittwoch, 20. November 2013

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Ein Vortrag über die trinitarische Dimension des christlichen Betens und der Liturgie gibt mir Gelegenheit, über etwas vermeintlich Selbstverständliches nachzudenken. Katholische Christen (und soweit ich weiß alle Christen, die sich auf die lateinische Tradition berufen) machen ein Kreuz über den Körper und sagen dazu: “Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.” Mit den Fingern der rechten Hand berührt man dazu die Stirn, die Brust, die linke und die rechte Schulter. Das heißt in der lateinischen Tradition das große Kreuzzeichen.
Wenn ich ein Kreuz am Körper trage oder ein Kreuzzeichen mache, dann stelle ich damit mich selbst leiblich, also voll und ganz unter dieses Zeichen des Kreuzes. Ich möchte das Kreuz als Zeichen über mein ganzes Leben machen, weil es der Sieg über den Tod und die Sünde ist. Wenn ich das Kreuz zum Zeichen meines Lebens mache, ist das ein besonderer Akt der Christusnachfolge. Damit das aber gelingt, muss dieses Zeichen überzeugend sein. Der ganze Leib soll deutlich und bewusst unter diesem Zeichen stehen. Es genügt also nicht, schnell und flüchtig die Stirn und dann dreimal mehr oder weniger dieselbe Stelle zu berühren. Das Kreuz soll bewusst gesetzt meinen ganzen Körper umspannen, so wie Christus mich mit meinem ganzen Leben in sich aufnimmt.
Gar nicht selbstverständlich ist die Verbindung mit der Anrufung des dreifaltigen Gottes, zumindest auf den ersten Blick. Ist es nicht Christus, der ans Kreuz geht? Möchte ich nicht wie Jesus leben? Wieso ist dann vom Vater und vom Geist die Rede? Wer das neue Testament genau liest bemerkt, dass Kreuz und Auferstehung dort immer als eine Sache gezeigt wird, die Gott ganz angeht. Jesus bittet den Vater, den Kelch von ihm zu nehmen, erklärt zugleich aber die Bereitschaft, den Willen des Vaters zu tun. Jesus ist der Träger des Heiligen Geistes schlechthin und geht als solcher in den Tod. Am Morgen des ersten Tages der Woche wird er vom Vater im Geist zum Leben auferweckt. Und das alles geschieht, damit wir im Geist leben und zur Gemeinschaft des Dreifaltigen gelangen können.
Wer ein Kreuzzeichen macht bekennt, dass nur im Kreuz das Heil der Welt ist, weil wir Menschen durch das Kreuz erlöst worden sind und nur durch das Kreuz zu Gott gelangen können.

Mittwoch, 13. November 2013

Nur Güte und Liebe werden mich verfolgen alle Tage meines Lebens

Manchmal tut es gut, einen Psalm auch in einer anderen Übersetzung zu beten. So ist es mir heute mit Psalm 23 geschehen. Vers 8 lautet da: “Nur Güte und Liebe werden mich verfolgen alle Tage meines Lebens”. Wer Psalmen betet kann für gewöhnlich nicht jeden Vers mit der gleichen Aufmerksamkeit singen. Aber manchmal bleibt man an einem Wort hängen, weil es gerade das eigene Leben und Denken betrifft. Dann gelingt die Identifikation des Beters mit dem Psalm und seinem Kontext, dann ist daraus mein eigenes Gebet geworden.
In diesem Fall gab die Wortwahl den Ausschlag. Die Einheitsübersetzung schreibt: “Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang.” Hier ist die Formulierung stärker. Was bedeutet es, dass ich von Güte und Liebe verfolgt werden, und zwar ausschließlich? Ist das nicht ein ziemlicher Euphemismus? Wir wissen doch, dass die Welt weder gut noch lieb ist. Wir wissen, dass viele Christen verfolgt und bedroht werden. Von Güte und Liebe ist da keine Spur. Und auch denen, die eine Humanität leben wollen, geht es damit oft schlecht. Daher gilt es, als vernünftiger Mensch stets auf der Hut zu sein. Redet also der Psalm hier nicht völlig an der Realität vorbei und färbt die Welt in wunderbarem Rosarot? Wenn das so ist, dann wäre die alte Kritik berechtigt, das Christentum diene nur der Vertröstung.
Der 23. Psalm, “Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen”, bringt unbeirrbares Vertrauen in Gott zum Ausdruck. Er ist ein gutes, fröhliches, vertrauensvolles Gebet. Aber wer ihn betet weiß auch, was die finstere Schlucht und das Unheil sind. Er kennt die Not, bleibt aber nicht dabei stehen, sondern sieht das große. Vielleicht ist das ein wichtiger Hinweis für eine christliche Haltung. Was ich habe, ist mir von Gott geschenkt. Als Christ weiß ich, dass alles, was geschieht, in einem größeren Kontext steht, daher kann ich auch immer mehr sehen, als nur gerade die unmittelbare Situation, mit dem Bild des Psalms: auch in der dunklen Schlucht weiß ich, dass am Ende die helle Weite steht. Wer auf Gott vertraut, wird von Güte und Liebe verfolgt, weil er die Güte und die Liebe überall findet und zu schätzen weiß.

Dienstag, 5. November 2013

Helden und Heilige heute

Ob ein Mensch heilig sein kann und wie das möglich ist, das gehört heute zu den umstrittenen theologischen Fragen. Viele Menschen haben Reserven, wenn es um die Heiligenverehrung geht. Manches daran scheint auch durchaus kritikwürdig. Anderseits ist die Sehnsucht nach Vorbildern und Fürsprechern, nach exemplarischen Menschen und Vertretern einer echten Nähe zu Gott sehr groß. Und dann hat das Zweite Vatikanische Konzil seine Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium noch in einem Kapitel über die allgemeine Berufung zur Heiligkeit gipfeln lassen.
Wenn der Völkerapostel Paulus die Gemeinden, an die er seine Briefe schreibt, als “Heilige” anspricht, meint er nicht, dass sie alle perfekt sind. Paulus hält ihnen ja ihre Vergehen auch deutlich vor. Und doch sind alle Christinnen und Christen von Gott selbst zur Heiligkeit berufen und zur Heiligkeit befähigt. Heilig werden können nur die, die Gott, der selbst der Heilige schlechthin ist, nachahmen. Zuerst muss also klar sein: Gott ist der Heilige, und Jesus Christus, sein Sohn, und der Geist, den wir den Heiligen Geist nennen. Wir als Menschen können nur heilig werden, indem wir sozusagen ein bisschen von dieser Heiligkeit für uns abbekommen. Indem wir uns von Gott heilig machen lassen.
Als die Christen noch in kleinen Gruppen inmitten einer heidnlschen Welt lebten, war allen Gläubigen klar, dass sie heilig werden wollen und wie das geht. Wenn aber das Christsein in einer staatlich unterstützten Kirche selbstverständlich geworden ist, dann schwindet diese Klarheit. Dann braucht es Vorbilder, an denen ich Heiligkeit ablesen kann. Nicht zufällig entstehen nach der Konstantinischen Wende die ersten Klöster. Mönche und Nonnen entfliehen der Welt, um ausschließlich nach Heiligkeit zu streben. Sie werden so gewissermaßen unsere Vertreter bei Gott und die Vertreter des Heiligen in der Welt.
Diese Struktur beobachte ich auch heute. Menschen suchen nach Spiritualität, nach religiösen Erfahrungen. Sie suchen auch nach gelungenem Leben. Freilich ist das nicht einfach. Umso wichtiger erscheinen daher Menschen, die das vorleben. Papst Franziskus in seiner demonstrativen Schlichtheit kommt dieser Suche entgegen. Er steht für etwas, das viele schon vergessen haben. Er weiß scheinbar, worauf es wirklich ankommt. Aber auch andere Vorbilder sind in den Medien zu finden. Gleichzeitig müssen diese Vorbilder allzu oft auch meine Vorstellungen davon, was richtig ist, erfüllen. Und dann wiegt es doppelt schwer, wenn irgendetwas nicht perfekt ist, wenn jemand anders reagiert, als ich erwarte, Fehler macht, scheitert oder einfach nur menschlich handelt.
In der Medienwelt kann man Vorbilder austauschen, wenn sie nicht mehr passen. In der realen Welt ist das nicht mehr so leicht. Da muss ich mit Enttäuschungen zurecht kommen. Und auch bei den Heiligen, die man in der Kirche verehrt, passiert es immer wieder, dass dunkle Punkte erscheinen, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Und dann kommen Zweifel auf: Wie kann so jemand heilig sein?
Da tut es gut, sich einige Grundsätze wieder neu ins Gedächtnis zu rufen:
1. Jeder darf, niemand muss Heilige verehren. Die Heiligenverehrung soll eine Hilfe für mein Leben und meinen Glauben sein. Das gilt, in der entsprechenden Weise, auch für lebende Idole.
2. Auch Heilige und Idole sind und bleiben Menschen, mit aller Fehlbarkeit, die dazugehört. Wir verehren sie ja gerade, weil sie sich in ihrer Menschlichkeit bewährt haben.
3. Bei aller Verehrung muss ich nie vor meinem Idol Bestand haben, sondern vor mir selbst und vor Gott. Mein Leben und meine Berufung sind mir selbst aufgegeben und ich kann meine eigenen Schwächen nicht dadurch verbessern, dass ich von anderen besonders viel Stärke verlange.
4. Die Vorbilder sollen mir helfen, meinen richtigen Weg zu finden. Tun sie das nicht, dann kann ich mir andere Vorbilder suchen, ohne deshalb den Respekt vor diesen Menschen zu verlieren. Respekt verdienen sie als Menschen aber auch deshalb, weil sie mir gestatten, bei ihnen in meinem kleinen Menschsein etwas zu lernen.

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Theismus oder Theologie?

Die deutsche Sprache ist in manchen Dingen feinfühliger als andere. So stehen “-ismen” stets im Geruch, etwas Übertriebenes zu sein. Das gilt auch für das Wort “Theismus”, das etwa im Englischen gar nicht so scharf klingt. In der Debatte um Schöpfung und Evolution steht, folgt man der einschlägigen Literatur, der Theismus dem Materialismus gegenüber. Auf der einen Seite steht die an der Evolutionstheorie orientierte naturalistisch-materialistische Position, wonach durch Veränderung und Selektion sich verschiedene Wesen, darunter auch vernünftige entwickelt haben. Als Gegensatz dazu vertritt die theistische Richtung die Meinung, Gott selbst habe einen Plan erstellt und gewissermaßen durch eigene Eingriffe in die Geschichte auch durchgeführt.
Nun kann ich mich in dieser Unterscheidung nicht wiederfinden. Ich bin kein Theist. Als Mensch bin ich ein gläubiger Christ und von meiner Profession ein Theologe. Da ist mir jede Übertreibung und jeder Kurzschluss vom Unerklärbaren auf Gott fremd. Dementsprechend lehne ich die theistische Position als unzutreffend genauso ab wie die naturalistische. Wer den Dialog verschiedener Denkformen sucht, kann sich nicht in den verschiedenen Extremen finden. Dazu braucht es Vermittlung. Dann zeigt sich, dass eine Naturbeobachtung ohne die dauernde Rückfrage auskommen kann, wo Gott denn da bleibt, weil Gott diese Beobachtung zulassen kann. Und die Rede von Gott kann sich mit den Grundfragen der Menschen beschäftigen. Denn die Heilige Schrift, Ausgangspunkt der theologischen Vergewisserung, ist kein naturwissenschaftliches Buch, sondern ein Buch, das mit dem Leben der Menschen zu tun hat. In diesem Dienst steht auch die Theologie, die deshalb kein Theismus sein kann, der nämlich die Begegnung mit Gott im konkreten Leben eher ausschließt als fördert.

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Über reduktionistische Materialismen und den Zweifel

Geist und Kosmos, so heißt ein Buch, das ich gestern in meiner Buchhandlung erstand und sofort zu lesen begann. Thomas Nagel, ein amerikanischer Philosoph, führt darin seine Zweifel an der herrschenden Meinung aus, die Naturwissenschaften könnten mithilfe phyisikalischer und chemischer Mechanismen alles, insbesondere den Menschen und den menschlichen Geist erklären. Eine andere Erklärung sei nicht zulässig. So etwas nennt man Reduktionismus, und Nagel behauptet wohl nicht ganz zu Unrecht, das sei die “gängige Orthodoxie” unter Physikern, Biologen und Neurowissenschaftlern. Aber er sei unzureichend, so Nagel.
Für gläubige Menschen ist damit ein Problem angesprochen, dass sie scheinbar nur entweder naturwissenschaftlich denken oder unabhängig davon an einen Schöpfergott glauben können. Beides miteinander sei unversöhnbar. Interessant ist, dass Thomas Nagel für sich in Anspruch nimmt, ungläubig zu sein und den Glauben sogar abzulehnen, weil ihm nämlich der “Sinn für das Göttliche” (sensus divinitatis), wie er schreibt, völlig abgehe. Er hat aber trotzdem Zweifel daran, dass sich das Universum und besonders der menschliche Geist mit all seinen Errungenschaften auf allein physikalische Gesetzmäßigkeiten, auf ungerichtete Mutation und Selektion zurückführen lässt.
Dazu kam mir eine grundsätzliche Überlegung: Der Zweifel alleine mag vielleicht Thomas Nagel befriedigen, die Mehrheit der mir bekannten Menschen wird damit nicht glücklich. Zweifel kommt dann auf, wenn das Vertrauen in eine Lösung nicht mehr hält, ist aber selbst keine Lösung. Zweifel führt dazu, dass wir nach neuen Wegen suchen. Der Reduktionismus ist aus einem Zweifel entstanden. Er hat deshalb gelegentlich so aggressive Züge, weil er zu Beginn als Instrument eines kämpferischen Atheismus im Kampf gegen die Religion eingesetzt wurde. Das ist heute wohl kaum bekannt, findet sich aber wieder, wenn die Vertreter eines "Neuen Atheismus" mit naturwissenschaftlichen Thesen argumentieren.
Wenn ein gläubiger Mensch oder gar ein Theologe wie ich diese Thesen liest, kommen selten Zweifel am Gottesglauben auf, denn der wird dort gar nicht berührt. Die Angriffe richten sich gegen ein Zerrbild des Glaubens. Und auch der Reduktionismus versucht etwas zu reduzieren, was eigentlich gar nicht Gegenstand christlichen Glaubens ist. Denn Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, kann sehr wohl auch im Einklang mit physikalischen Gesetzen gedacht werden, ohne deshalb naturwissenschaftliche Erklärungen zu entwerten. Und der Zweifel an Gott ist auch möglich, ja nötig, wie der Zweifel an mir selbst. Er führt aber dazu, dass ich mich vertieft mit meinem Glauben beschäftige. Ich habe dabei Gott immer wieder gefunden.

Samstag, 12. Oktober 2013

Reden oder schweigen?

Der Prophet Zefanja schreibt: “Schweigt vor Gott, dem Herrn! Denn der Tag des Herrn ist nahe” (1,7). Neulich habe ich bei einem Vortrag über Gottesrede in der Welt von heute gehört, wir sollen doch mehr von Gott schweigen und weniger reden, denn nur das eröffnet den Menschen einen Raum der Gotteserfahrung. Schon während dem Vortrag waren meine Zweifel geweckt, die ich dann auch als Anfrage formuliert habe.
Sicher ist in der Geschichte viel oft zu viel über Gott geredet worden. Ein Problem der Verkündigung ist, dass viele Antworten gegeben werden, für die es keine Fragen gibt. Das heißt aber nicht, dass es gar keine Fragen gibt. Was ist der Sinn meines Lebens? Wo ist Gott? Wo kann ich ihn finden? Diese Fragen sind nach wie vor lebendig. Und wenn sie auftauchen, dann dürfen die, die eine Idee davon haben, keinesfalls schweigen.
Der Prophet Zefanja schweigt auch nicht. Die drei Kapitel dieses Buches bestehen aus Ermahnungen, Warnungen und Verheißungen. Jesus hat nicht geschwiegen, sondern geredet. Wer andere zum Schweigen auffordert, hat wohl nicht ganz verstanden, dass Schweigen nur im Raum der Rede seinen Platz hat. Dann kann es dem ergangenen Wort die Chance geben, tiefer zu gehen. Wir aber haben heute eher das Problem, dass viele Menschen heute, wie es an anderer Prophet, nämlich Amos, angekündigt hat, nicht nach Brot hungern, sondern nach einem Wort des Herrn (8,11). Vielleicht sollten wir heute ein wenig mehr reden, freilich vielleicht auch ein wenig bewusster.

Mittwoch, 9. Oktober 2013

Menschen und Tiere - sind Menschen Tiere?

Seit Jahren wird intensiv darüber diskutiert, ob, wie sehr und wodurch sich Menschen von Tieren unterscheiden. Während die einen den Unterschied generell anzweifeln, mit oft sehr eindrucksvollen Leistungen tierischer Intelligenz, gehen die anderen selbstverständlich von einer Überlegenheit des Menschen über das Tier und damit von einer Machtstellung aus.
Dass der Mensch vom Affen abstammt (oder genau genommen selber ein Affe ist), sollte als polemischer Ausdruck gegen jede Form von Evolutionstheorie in Stellung gebracht werden. Sigmund Freud sah darin eine der drei Kränkungen des Menschen. Er sei nichts anderes als ein Tier.
Ich persönlich fühle mich von dem Wissen, dass ein Schimpanse und ich gemeinsame Vorfahren haben, in keiner Weise gekränkt, übrigens auch nicht von dem Wissen, dass wir auch mit allen anderen lebenden Tieren gemeinsame Vorfahren haben, die nur ungleich länger vor unserer Zeitrechnung gelebt haben. Ich bin ein Teil dieser Natur, und ich bin froh darüber. Denn sonst könnte ich auf dieser Erde nicht leben.
Diese meine These wird von der Heiligen Schrift bestätigt. Denn es heißt dort, Gott habe “den Menschen aus Erde vom Ackerboden” geformt (Gen 2,7), genauso wie anschließend alle anderen Tiere aus Erde gemacht werden. Menschen und Tiere sind aus demselben Material gemacht, nämlich Erde, Staub, Asche oder einfach Dreck. Das schafft eine enge Verbindung. Die Menschen sind nur dadurch hervorgehoben, dass Gott jede und jeden einzeln anspricht: Du! Damit ist ein Auftrag gegeben, nämlich mit den übrigen Geschöpfen und mit der von Gott geschenkten Lebenswelt verantwortungsvoll umzugehen. Menschsein ist für die Bibel gleichzeitig Geschenk und Verantwortung, Gabe und Aufgabe.

Montag, 7. Oktober 2013

Ergebung oder Widerstand?


Am 7. Oktober 1938, heute vor 75 Jahren, feierten im Wiener Stephansdom Tausende junge Menschen das Rosenkranzfest. Der Wiener Erzbischof Kardinal Theodor Innitzer hielt damals eine bewegende Predigt. Das ganze Fest wurde zu einer Gegendemonstration gegen die nationalsozialistische Herrschaft und wurde tags darauf von der Hitlerjugend mit dem Sturm auf das erzbischöfliche Haus beantwortet. Der so oft für sein damaliges Verhalten gescholtene Kardinal Innitzer sagte damals unter anderem: “…wir wollen uns gerade jetzt… zu Christus bekennen, unserem Führer und Meister, unserem König und seiner Kirche…”
Zu Recht bewundern wir heute alle, die damals Widerstand geleistet haben oder nicht aktiv an einem mörderischen System mitgewirkt haben. Sie haben ihr Leben riskiert, viele haben es auch verloren, bekannt sind etwa aus christlichen Kreisen Restituta Kafka, Franz Jägerstätter, Dietrich Bonhoeffer (dem der Titel dieses Blogs verdankt ist), Otto Schimek. Andere haben sich sozusagen ergeben und versucht, an ihrer jeweiligen Stelle die Jahre zu überleben. Manche aber haben sich von der Ideologie blenden lassen.
Wenn die Ideologie über allem steht, dann kann es nur einen Führer geben, dann ist jede andere Instanz gefährlich, Grundprinzipien, religiöse, humanitäre Ideen, ein fester Glaube, das eigene Gewissen oder gar Gott. Niemand sonst darf dir sagen, wie du dich verhalten sollst, als der, der sich selbst zum Führer gemacht hat.
Das Evangelium lässt solche Denkmuster gar nicht zu, denn es verlangt von mir, mein Handeln selbst und eigenverantwortlich nach dem Guten auszurichten. Die Zehn Gebote und die Worte der Bergpredigt sind lediglich Hilfen, wie das Gute zu finden ist. In der Situation bin ich immer auf mein Gewissen angewiesen. Deshalb wollten Diktatoren zu allen Zeiten Macht über die Gewissensbildung erreichen. Deshalb ist es auch so gefährlich, wenn moralisches Handeln heute vielerorts an Experten delegiert wird. Nach der Auferstehung sagt Jesus zu Petrus ein eindrucksvolles Wort: “Als du noch jung warst, hast du dich selbst gegürtet und konntest gehen, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst” (Joh 21,18). Das ist immer als Hinweis auf das Martyrium des Petrus verstanden worden. Ich verstehe es auch als Warnung an uns: Lasse ich zu, dass jemand mich gürtet und dorthin führt, wohin ich nicht will?

Freitag, 4. Oktober 2013

Aber ...

Das große Aber hat keinen guten Ruf. Meistens begegnet man dem Wort, wenn auf eine gute Nachricht eine schlechte folgt. Doch davon möchte ich hier nicht schreiben. Ein anderes Aber findet sind nämlich in einer großen Gruppe von Psalmen, die von den Fachleuten Klagelieder genannt werden. Wie alle Psalmen des Alten Testaments kommen sie aus bestimmten Lebenssituationen und laden die Betenden dazu ein, sich selbst mit dieser Situation zu identifizieren. Wer selbst leidet, wird immer einen Psalm finden, der das eigene, spezifische, konkrete Leid auch in irgendeiner Weise abbildet.
Zuerst ist immer von einer konkreten Situation die Rede. Not oder Krankheit, Ausgrenzung, Isolation und zwischenmenschliche Probleme. Es gibt unendlich viele Facetten. Leid ist immer konkret und immer persönlch. Und allzu oft bin ich alleine. Es heißt: “Zum Spott geworden bin ich all meinen Feinden, ein Hohn den Nachbarn, ein Schrecken den Freunden; wer mich auf der Straße sieht, der flieht vor mir” (Ps 31,12). Im Leid ist es erlaubt, ein zu jammern. Ich kann mein eigenes Übel benennen und beklagen. Das ist wichtig so, weil es ehrlich die Situation anspricht.
Der Psalm bringt das Leid vor Gott. Ich kann Gott erzählen, was mich bedrückt. Heute bleibt man nur allzu oft dabei stehen, das Schlechte in der Welt und in meinem Leben anzusprechen. Im Psalm kommt hingegen ein Aber: “Ich aber, Herr, ich vertraue dir, ich sage: ‘Du bist mein Gott’.“ (Ps 31,15). Wer glaubt weiß, dass es immer noch mehr gibt, als die Situation jetzt, so traurig sie sein mag.

Falsch ist, wenn ich als Zuseher das einem Leidenden sage. Dann ist es eine schlechte Beruhigungsstrategie. Das steht mir nicht zu. Genauso falsch ist aber, wenn ich selbst leide, und mir den Gedanken verbiete. Dann habe ich mich im Leid eingerichtet. Das Aber zeigt in jeder Situation neue Wege. Der Gerechte Ijob sagt am Höhepunkt seiner Not: “Aber ich, ich weiß: mein Erlöser lebt, als Letzter erhebt er sich über dem Staub” (Ijob 19,25).  Deshalb werden manche nie ein geglücktes Leben erreichen, weil sie immer in der konkreten Situation hängenbleiben, Ijob hingegen ist schon erlöst, weil er um das Aber weiß.

Mittwoch, 2. Oktober 2013

(Strg) + Z

Das ist ein shortcut, ein Kurzbefehl, der über die Tastatur eingegeben wird. Man hält (Strg) und drückt dazu “Z”. Und was dann geschieht, heißt “Rückgängig machen”. Die letzten erteilten Befehle werden rückgängig gemacht und der Zustand davor wiederhergestellt. Wenn ich also etwas Falsches eingegeben oder einen unpassenden Befehl erteilt habe, kann ich schrittweise alles wieder wegmachen, bis der Zustand erreicht ist, den ich noch für richtig hielt. So ein Tool hätte ich auch im Alltag gerne. Aber das gibt es nicht. Wenn im zwischenmenschlichen Bereich etwas schief geht, kann man das nicht mehr ungeschehen machen. Verfehlungen meiner eigenen Geschichte bleiben bestehen. Es gibt in meiner Lebensgeschichte nur eine Richtung, die nach vorne. Der “Rückgängig”-Befehl kommt nur in der Science-Fiction-Literatur vor. Was zerbrochen ist, kann man nicht wieder zusammenkleben, sondern muss es neu und von vorne noch einmal versuchen.
In der Theologie nennt man das Sünde. Die Sünde ist eine Störung der Beziehungen, der Beziehung zu anderen, zu mir selbst und zu Gott. Und wenn die Sünde einmal geschehen ist, bleibt sie mächtig. Sie kann nicht vergessen, sondern nur überwunden werden. Aber wenn sie überwunden ist, gibt es Platz für einen Neuanfang. Das zu wissen ist heilsam.

Dienstag, 1. Oktober 2013

Die Kirche lieben

Geht es Ihnen auch so, dass Sie sich verantwortlich fühlen? Ich selbst fühle mich für die Katholische Kirche verantwortlich. Das mag ein typisch katholischer Reflex sein, ist bei mir freilich auch berufsbedingt. Wann immer jemand etwas Kritisches über die Kirche sagt, fühle ich mich herausgefordert. Da gibt es Leute, denen nichts Katholisch genug sein kann, die selbst genau wissen, was richtig ist. Da gibt es Leute, für die die Kirche immer alles falsch macht, weil sie nicht ihren eigenen Wünschen entspricht. Immer wieder treffe ich mit solchen Menschen zusammen oder lese ihre Nachrichten. Dann gibt es welche, die selbst für die Kirche arbeiten, beruflich oder ehrenamtlich. Sie spüren den Gegenwind, in dem die Kirche heute steht. Und da sind die Unzulänglichkeiten besonders groß. Natürlich gibt es an der Kirche genug zu kritisieren. So viel Menschliches ist da. In den Jahrhunderten haben sich auch Strukturen breit gemacht, die heute nur mehr wenig hilfreich sind. Es gibt genug Verbesserungspotiential. Und das mit dem Evangelium ist in der Theorie eine ganz tolle Sache, aber man müsste sich einmal daran halten können. Nur das ist schon so nicht leicht, und ob die Kirche das immer und überall erleichtert? Da habe ich meine Zweifel.
Und trotzdem liebe ich diese Kirche, weil sie „menschelt“, weil sie manchmal alt und verstaubt ist, gleichzeitig aber naiv wie ein kleines Kind. Ich gehöre dazu und sie ist meine Kirche, ich bin in ihr groß geworden, und sie hat Platz für so ein unvollkommenes Wesen wie mich. Danke, guter Gott, dass Du mich in eine Kirche berufen hast, die nicht perfekt ist, denn nur so kann ich dort auch bestehen und daran arbeiten, dass Dein Evangelium von uns Anfängern ein bisschen besser verstanden und gelebt wird.

Vanitas vanitatum

"Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch. Welchen Vorteil hat der Mensch von all seinem Besitz, für den er sich anstrengt unter der Sonne?"
Kohelet 1,2
 
Wie viel wird geredet, geschrieben, verschickt, kopiert, eingefügt, wieder verschickt. Man kann davon ausgehen, dass viel davon Windhauch ist und Luftgespinst. Warum also noch weiter Windhauch verbreiten? So könnte man fragen. Aber die Frage ist falsch, wir brauchen den Windhauch. Der Wind trägt dazu bei, das Wesentliche freizulegen, und der Wind belebt unsere Gedanken. Ich kann also nicht versprechen, dass hier immer über Wesentliches gesprochen wird. Wahrscheinlich wird sogar sehr viel Windhauch und Luftgespinst dabei sein. Aber wer es liest und dabei zur Ruhe kommt, kann sich daran erfreuen. Wenn es provoziert und aufregt, dann hat es vielleicht einen Nerv getroffen. Der Wind ist nur dann richtig, wenn er weht. Der Prediger schreibt weiter: "Er weht nach Süden, dreht nach Norden, dreht, dreht, weht, der Wind. Weil er sich immerzu dreht, kehrt er zurück, der Wind" (1,6).