Spannend
und umstritten ist sie allemal, die “Erklärung über die
Religionsfreiheit Dignitatis humanae” des Zweiten Vatikanischen Konzils
(7. Dezember 1965). Dieser Tage hatte ich einen Vortrag darüber zu
halten, das gab mir Gelegenheit, diesen wegweisenden Text wieder zu
entdecken. Nach fast fünfzig Jahren ist er aktueller noch als zur Zeit
seines Entstehens. Liest man aktuelle Berichte über verfolgte Christen,
wie etwa den jährlichen Index von Open Doors, oder Nachrichten von
Menschen, die um ihrer Religion willen Gewalt erleiden (Pew Research
nennt vor allem Juden, Christen und Moslems), dann ist evident, dass es
um die Religionsfreiheit heute nicht gut bestellt ist.
Aber
warum macht sich gerade die Katholische Kirche auf einem Konzil Sorgen
um die Religionsfreiheit aller Menschen, nicht nur um Religionsfreiheit
von Katholiken? Widerspricht das nicht dem eigenen Anspruch, das
Evangelium für alle Menschen zu vertreten? Schadet das nicht der Kirche?
Wie kommt das Konzil dazu, so etwas zu fordern? Das ergibt sich, wie
das Konzil sagt, aus dem christlichen Glauben selbst. Denn das
Christentum ist die Religion der Freiheit. Jesus Christus ist in die
Welt gekommen und am Kreuz gestorben, um allen Menschen die Freiheit von
der Sünde zu schenken. Und um der durch die Erlösung erneuerten Würde
des Menschen willen, kann der Glaube nur in Freiheit angenommen werden.
Glaube ist nämlich nicht die Übernahme von irgendwelchen Sätzen, sondern
die freie Antwort auf die Anrede Gottes, die immer schon an mich
ergangen ist. Nur in Freiheit kann ich mich Gott ganz und gar
anvertrauen - und keinen geringeren Anspruch stellt der Glaube.
Der
Glaube kann also nur dann gelebt werden, wenn jede und jeder Einzelne
sich selbst frei für den Glauben entscheiden kann (individuelle
Religionsfreiheit) und wenn eine Religionsgemeinschaft, solange sie im
Rahmen der Gesetze agiert, also auf Gewaltausübung im Namen der Religion
verzichtet, ihren Glauben frei gemeinsam ausüben und verkünden kann
(kollektive Religionsfreiheit). Beides ist von Dignitatis humanae
gefordert, und beides garantiert ein demokratisches Staatsgefüge
zumindest in der Theorie.
Die
Erklärung verpflichtet freilich auch die katholische Kirche und die
Katholiken zu einer bestimmten Haltung. Der Respekt vor anderen Menschen
gebietet, sie auch dann zu achten, wenn sie einen Glauben haben, den
ich nicht nachvollziehen kann. Und die Religionsfreiheit verlangt auch
zu akzeptieren, wenn jemand eine Religionsgemeinschaft verlassen möchte.
Das fällt vielen Religionsgemeinschaften sehr schwer und ist heute für
viele Konvertiten ein Problem, in manchen Ländern riskieren sie damit
sogar ihr Leben.
Das
Christentum kann nur dort wachsen und sich festigen, wo der Raum der
Freiheit groß und gut abgesichert ist. Diese Erkenntnis haben die
Konzilsväter mit bewundernswertem Weitblick vertreten.
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