Sonntag, 26. November 2017

Was meint: Jesus wird kommen „zu richten die Lebenden und die Toten“?

Christen hoffen, dass am Ende Jesus Christus die Menschheit vollenden und im Jüngsten Gericht das Gute zum Sieg führen wird. Im Neuen Testament finden sich dafür viele Zeugnisse. In der Geschichte ist die Rede vom Jüngsten Gericht ein Zeichen dafür, dass die Entscheidungen im menschlichen Leben ernst sind. Deshalb finden sich in mittelalterlichen Kirchen Bilder vom Gericht beim Ausgang, damit die Gläubigen auch im Alltag, nach dem Gottesdienst, bedenken, dass ihre Entscheidungen Folgen haben. Oft ist die Rede vom Gericht so weit getrieben worden, dass sie Angst machte, aber das ist ein Missbrauch. Denn der Glaube an Jesus Christus als Richter ist eine echte Frohbotschaft. Die persönliche Begegnung mit ihm gibt Klarheit über mein eigenes Leben. Im Vordergrund steht nicht die Strafe, vielmehr bringt das Gericht Recht hervor, für die Leidenden Heil, für die Trauernden Trost, für die Zerstrittenen Versöhnung. Denn nur dann kann die Welt nicht dem Bösen erliegen und die ganze Menschheit in Christus vollendet werden.

Sonntag, 22. Oktober 2017

Gilt der „Taufbefehl“ Jesu (Matthäusevangelium, Kapitel 28) noch heute?

Der sogenannte Taufbefehl ist eigentlich dreiteilig. Die Apostel sollen die Menschen aus allen Völkern zu Jesu Jüngern machen, sie taufen und sie lehren, alles zu befolgen, was Jesus uns geboten hat. Jesus gibt den Aposteln und damit allen Christinnen und Christen einen umfassenden Missionsauftrag. Dieser Auftrag gilt auch heute noch. Sie sollen auch andere zu Christus führen und so die Gemeinschaft der Gläubigen vergrößern. Jünger oder Jüngerin Jesu wird man nicht durch Zwang oder Überredung, sondern nur durch die eigene freie Entscheidung. Deshalb kann die Aufgabe der Mission nur durch das Beispiel gelungenen Christseins erfüllt werden.
Wer Jesus kennengelernt hat, möchte anderen davon erzählen. Wer den Glauben gefunden hat, möchte ihn weitergeben, in der eigenen Familie, im Freundeskreis und an andere Menschen. „Apostel“ heißt „der Gesandte“. In diesem wörtlichen Sinn sind alle Gläubigen auch Apostel, weil Christsein immer missionarisch ist.

Dienstag, 12. September 2017

Was ist der Sinn einer Religion?

Die Religion ist zweifellos heute wieder ein Thema, in der Einzahl oder Mehrzahl, meine oder die anderen, positiv oder negativ. Was aber genau eine Religion ist und was der Sinn einer Religion ist, davon gibt es in diesen Diskussionen höchst unterschiedliche und meist nicht ausgesprochene Konzepte. Daniel C. Dennett, Den Bann brechen (S’ 137), nennt drei Zwecke, die seiner Ansicht nach die “beliebtesten” Zwecke von Religionen sind:

- im Leiden zu trösten und die Angst vor dem Tod zu mildern,
- Dinge zu erklären, die sich anders nicht erklären lassen,
- angesichts von Strapazen und Feinden die Zusammenarbeit in Gruppen zu fördern.

Sicher hat eine solche pragmatische Erklärung ihre Berechtigung, problematisch ist sie aber, wenn sie als hinreichend dargestellt wird, denn das ist sie mit Sicherheit nicht. Ja sie ist nicht einmal sehr richtig. Aber sehen wir die Punkte im Einzelnen an.

Im Leiden zu trösten und den Menschen Angst zu nehmen, indem der Tod reflektiert wird, ist sicher ein großer Vorzug. Religion findet sich dort, wo über Anfang und Ende des Lebens nachgedacht wird. Dann muss aber auch darüber nachgedacht werden, ob das Leben insgesamt einen Sinn hat, der über die bloße Endlichkeit hinaus reicht. In der Frage selbst ist bereits ein transzendenter Akt impliziert. Ich muss mich über meine Endlichkeit erheben, in dem Moment, in dem ich die Frage stelle. Als Christen ist das für uns ein Ansatzpunkt für die Gottesfrage. Man kann die Frage freilich auch zynisch stellen. Freunde der Gelehrsamkeit haben in der Frage schon das Konzept von Religion als Kontingenzbewältigung von Hermann Lübbe erkannt. Die Frage ist, ob dieser Zweck oder diese Funktion Religion in ihren Kern beschreiben kann.

Die Erklärungsfunktion von Religion für Fragen, die sich nicht anders beantworten lassen, ist eher fragwürdig. Damit entsteht der Eindruck, alle Fragen befänden sich auf derselben kognitiven Ebene und wären mit einfachen Sätzen zu beantworten. Dann lässt sich jede Religion durch ein anderes Wissen ablösen und umgekehrt wäre eine Wissenschaft immer auch Religion. Aber die menschlichen Grundfragen, die das Geschäft der Religion ausmachen, lassen sich gar nicht notwendig beantworten. Sie müssen gestellt, erfahren, ausgehalten werden. Erst dann können sich Wege zur Beantwortung auftun. Das ist ein ganz anderer epistemischer Zugang, als bei Naturwissenschaften

Religion trägt definitiv zum Zusammenhalt der Gruppe bei, nach innen jedenfalls. Das Christentum und in gewisser Weise auch das Judentum sind von Momenten geprägt, die auch Fremde in diesen Zusammenhalt integrieren, also auf ihre eigene Weise aufklärend wirken und die Gruppe nach außen öffnen. “Strapazen“ oder “Feinde“ braucht man dafür nicht bemühen. Die können selbst den Zusammenhalt fördern - oder brüchig werden lassen, ganz unabhängig von Religion. Allenfalls kann eine Religion helfen, mit ihnen besser zurechtzukommen.

Alle drei Ideen haben ihren Reiz, wenn man über Religionen nachdenkt, greifen aber eindeutig zu kurz. Die Vorentscheidung für eine passende Bestimmung muss die Transzendenz und die menschliche Transzendenzfähigkeit in Betracht ziehen. Wird sie von vornherein ausgeschlossen, kann es nur pragmatische Erklärungen geben, die von anderen Vorentscheidungen anhängen. Freilich werden die Religionen selbst dabei nicht besonders ernst genommen.

Montag, 11. September 2017

Atheismus und seine Voraussetzungen

Die Lektüre atheistischer Schriften sollte für jeden Theologen wichtiger Bestandteil seiner Arbeit sein, um die eigenen Argumentationen zu verbessern und die essentiellen Probleme zu erreichen. Aber diese Lektüre stellt uns Theologen auch vor große Herausforderungen. Daniel C. Dennett versucht in seinem Buch “Den Bann brechen” (“Breaking the spell” 2006, erst 2016 in deutscher Sprache erschienen) die Evolution der Religionen zu erklären und zu zeigen, dass man Religion mit den Methoden der Evolutionstheorie verstehen kann. Die Grundfrage aller atheistischer Literatur bleibt auch hier zu stellen: Was genau ist die Religion, von der hier geredet wird? Wer ist der Gott, den ein Atheist ablehnen soll?

Die Diskussion um den Glauben und die Religion als seine organisatorische Form (ich verwende einmal diesen einfachen Vorbegriff) ist schon recht alt. Sie fand immer als Diskussion um einen bestimmten Glauben statt, weil ein allgemeiner Begriff von Glaube und Religion, den Dennett und andere heute voraussetzen, ja immer erst im Nachhinein entwickelt werden kann. Auch die Kritik am Glauben und damit an Gott, der A-Theismus, kann eigentlich immer erst im Nachhinein entstehen, setzt sie doch den Glauben, den sie kritisiert, zuerst einmal voraus und kritisiert immer einen bestimmten Glauben, meist den christlich-jüdischen, heute oft auch den muslimischen. Umso bemerkenswerter ist, dass Dennett eine Zeit ohne Glaube postuliert, genauer eine, bevor es unter den Menschen Glauben gab. Er schreibt: “Es gab schließlich eine Zeit, in der es auf dem Planeten noch gar keine Gläubigen gab, in der es keinen Glauben an irgend etwas gab” (S. 132).

Ja, die Religionen, die wir kennen, sind allesamt jünger, als die ältesten bekannten geschichtlichen Daten. Aber kann man daraus schließen, dass der Glaube selbst damals noch nicht existierte? Gab es nicht vorher schon Glaubenserfahrungen? Und sind es nicht diese Erfahrungen, die zu dem Glauben hinführen, der von der Bibel bezeugt ist? Glaube ist doch notwendig, um sich im Leben zu orientieren, indem ich mein Leben auf etwas ausrichte und meinen eigenen Ursprung annehme. Sicher gab es eine Zeit, als noch keine Menschen auf dem Planeten lebten, keine empfindsamen Lebewesen, überhaupt keine Lebewesen. Aber ist die Menschheit ohne Glauben vorstellbar? Woran sollte sie sich im Leben orientieren? Wie sollten sie mit den Grundfragen des Lebens umgehen? Oder sollte man annehmen, diese Grundfragen würden erste entstehen, wenn es (strukturierte) Religionen gibt? Aber das widerspricht den fundamentalen menschlichen Erfahrungen.

Religionen weisen den Weg zu Antworten auf Grundfragen, denen sich Menschen stellen, zu allen Zeiten und an allen Orten. Genau genommen geben Religionen diese Antworten nicht, weil sie das gar nicht können. Sie führen den Glauben, damit die Glaubenden sich in der Suche, die ihr ganzes Leben darstellt, leichter zurechtfinden. Aber damit ist ein ganz anderer Begriff von Religion und Glaube erreicht, als der, den Dennett offensichtlich verwendet. Die von ihm untersuchte und kritisierte Religion hätte immer schon alle Antworten auf alle Fragen. Christen hingegen sollten ernstnehmen, dass Jesus nicht sagt: Ich habe die Antwort!, sondern: “Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6). Dann beginnt der Glaube aber schon in dem Moment, wo ein Mensch beginnt, nach sich selbst zu fragen.

Sonntag, 10. September 2017

Was heißt „hinabgestiegen in das Reich des Todes“?

Im Glaubensbekenntnis bekennen wir mit diesem Satz, dass Jesus zu den Toten gegangen ist. Wörtlich heißt es „hinabgestiegen in die Unterwelt“. Im antiken Verständnis sind die Toten im Bereich unterhalb der bewohnbaren Erde, im Hades. Am Karfreitag ist Jesus am Kreuz gestorben. Am Ostersonntag ist er auferstanden. Dazwischen, am Karsamstag, denken wir daran, dass Jesus begraben wurde und tot ist. Am Karsamstag wird keine Eucharistie gefeiert, nur das Stundengebet. In Stille beten wir am Grab Jesu und erwarten die Osternacht. Er hat den Tod auf sich genommen, wie alle Menschen, um auch im Tod mit allen Menschen solidarisch zu sein. Jesus ist für uns Menschen gestorben, um uns auch Anteil an seiner Auferstehung zu geben. Das gilt auch für die, die schon tot sind. Jesus geht in das Reich des Todes, um dort alle, die zu ihm gehören beginnend bei Adam und Eva, zu sammeln und zur Auferstehung zu führen. Dieser Glaubenssatz ist ganz vom Osterglauben geprägt.

Sonntag, 25. Juni 2017

Was hat die Gabe der Erkenntnis mit meinem Leben zu tun?

Erkenntnis bedeutet mehr als das bloße Wissen von Fakten. Man braucht mindestens drei deutsche Worte, um die verschiedenen Aspekte des Begriffs aufzuzeigen: wissen, kennen und können. Erkenntnis umfasst das ganze Menschsein und geht in die Tiefe. Die Erkenntnis wird eine Gabe des Heiligen Geistes genannt, weil kein Mensch die Erkenntnis in ihrer Fülle selbst machen oder erwerben kann. Sie muss geschenkt werden. Deshalb wird im Gebet immer wieder gesagt: Gott, lehre mich Erkenntnis! Gemeint ist hier die Erkenntnis Gottes.

Sie besteht darin, dass ich Gott in meinem Leben finde und mich von dem leiten lasse, was Gott für mich und die anderen Menschen will. Genauso wichtig wie zu erkennen ist dabei selbst von Gott erkannt zu werden. Die Gotteserkenntnis hängt eng mit meiner Selbsterkenntnis zusammen.

Die Erkenntnis ist zu keinem Zeitpunkt meines Lebens vollständig da, sondern bleibt immer eine Aufgabe. Wie bei einem Dialog kommt es darauf an, gut hinzuhören und im Leben auf den Ruf Gottes zu antworten. Paulus nennt das Leben nach dem Geist Jesu.

Sonntag, 14. Mai 2017

Warum beten wir im Vaterunser: „und führe uns nicht in Versuchung“? Führt Gott uns etwa in Versuchung?

Das Vaterunser wird gebetet, weil Jesus selbst es seine Jünger gelehrt hat. Deshalb hat es für alle Christen höchste Bedeutung. Die verwendete Fassung geht auf das Matthäusevangelium zurück (6,9-13). Die Übersetzung der Bitte: „führe uns nicht in Versuchung“ aus dem Griechischen ist genau. Etwas freier könnte man sagen: „Lass uns nicht in Versuchung geraten!“, oder: „Lass uns nicht der Versuchung erliegen, führe uns nicht auf den Weg der Versuchung!“

Zum Menschsein in Freiheit gehört die Versuchung dazu, sonst wäre die Freiheit nicht echt. Das Böse erscheint oft viel verlockender, einfacher und attraktiver als das Gute. Das ist aber nicht so zu verstehen, als hätte Gott Freude an der Versuchung der Menschen oder würde uns prüfen. Sondern die Versuchung ist Teil des Lebens, sie hängt mit den menschlichen Schwächen zusammen. Dann könnte die Bitte so gemeint sein: „Wenn die Versuchung kommt, führe mich bitte nicht hinein sondern vorbei!“ Eine andere Deutung sagt: „Führe mich auch in der Versuchung, damit ich ihr nicht erliege!“

Sonntag, 23. April 2017

Wie kann Gott zugleich gerecht und barmherzig sein?

Nach der einfachen menschlichen Vorstellung können Gerechtigkeit und Barmherzigkeit nicht gleichzeitig existieren. In dieser Vorstellung bedeutet Gerechtigkeit, dass ein Übeltäter zu bestrafen ist, wie er es verdient hat. Barmherzigkeit hingegen bedeutet, mit dem, der straffällig geworden ist, Erbarmen zu haben, über das Böse hinwegzusehen, auch um den Preis, dass die Opfer vergessen werden. Während die Gerechtigkeit auf diese Weise ziemlich kalt wirken kann, ja manchmal wie eine Art gesetzlich erlaubter Rache, erscheint Barmherzigkeit eher ein wenig dumm, als wollte man bewusst nicht sehen, was geschehen ist.

Paulus spricht aber immer wieder von der Gerechtigkeit Gottes, die anders ist als unsere menschliche. Sie möchte nicht bestrafen, sondern das Recht wieder erneuern. Die Sünde soll nicht vergessen, sondern vergeben werden. Nur dann ist Versöhnung möglich. Das ist eigentlich Barmherzigkeit: den Weg zur Versöhnung gehen, zu einem echten Neuanfang. Und das ist die wahre Gerechtigkeit.

Sonntag, 5. Februar 2017

Wie modern soll der Glaube sein?

Auf diese Frage lassen sich zwei Antworten geben. Erstens ist der Glaube scheinbar gar nicht modern, sondern ziemlich alt. Er fängt mit der Begegnung mit Jesus von Nazareth an, der vor über 2000 Jahren geboren wurde, und hängt mit dem noch viel älteren Glauben Israels zusammen. Das Buch des Glaubens, die Bibel, ist ein altes Buch.

Zweitens muss der Glaube modern sein, denn er hat mit Erfahrungen zu tun, die höchst aktuell sind. Die Bibel kann nur überzeugen, wenn Menschen sich selbst und ihre Erfahrungen darin wiederfinden. Die Theologie muss daher eine moderne Sprache sprechen.
 

Schließlich ist der Glaube dadurch modern, dass er unmodern ist, weil er sich gegen den Zeitgeist wendet. Wenn sich heute Menschen fragen: Dürfen wir alles tun, was technisch möglich ist? Dürfen wir andere Menschen oder die Umwelt für unsere Zwecke ausbeuten? und der Glaube Ideen, die diese Fragen mit Ja beantworten, widerspricht, scheint er zwar zuerst unmodern, ist dann aber in seinem Widerspruch modern und zeigt die Richtung zu einem gelungenen Leben.