Mittwoch, 20. November 2013

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Ein Vortrag über die trinitarische Dimension des christlichen Betens und der Liturgie gibt mir Gelegenheit, über etwas vermeintlich Selbstverständliches nachzudenken. Katholische Christen (und soweit ich weiß alle Christen, die sich auf die lateinische Tradition berufen) machen ein Kreuz über den Körper und sagen dazu: “Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.” Mit den Fingern der rechten Hand berührt man dazu die Stirn, die Brust, die linke und die rechte Schulter. Das heißt in der lateinischen Tradition das große Kreuzzeichen.
Wenn ich ein Kreuz am Körper trage oder ein Kreuzzeichen mache, dann stelle ich damit mich selbst leiblich, also voll und ganz unter dieses Zeichen des Kreuzes. Ich möchte das Kreuz als Zeichen über mein ganzes Leben machen, weil es der Sieg über den Tod und die Sünde ist. Wenn ich das Kreuz zum Zeichen meines Lebens mache, ist das ein besonderer Akt der Christusnachfolge. Damit das aber gelingt, muss dieses Zeichen überzeugend sein. Der ganze Leib soll deutlich und bewusst unter diesem Zeichen stehen. Es genügt also nicht, schnell und flüchtig die Stirn und dann dreimal mehr oder weniger dieselbe Stelle zu berühren. Das Kreuz soll bewusst gesetzt meinen ganzen Körper umspannen, so wie Christus mich mit meinem ganzen Leben in sich aufnimmt.
Gar nicht selbstverständlich ist die Verbindung mit der Anrufung des dreifaltigen Gottes, zumindest auf den ersten Blick. Ist es nicht Christus, der ans Kreuz geht? Möchte ich nicht wie Jesus leben? Wieso ist dann vom Vater und vom Geist die Rede? Wer das neue Testament genau liest bemerkt, dass Kreuz und Auferstehung dort immer als eine Sache gezeigt wird, die Gott ganz angeht. Jesus bittet den Vater, den Kelch von ihm zu nehmen, erklärt zugleich aber die Bereitschaft, den Willen des Vaters zu tun. Jesus ist der Träger des Heiligen Geistes schlechthin und geht als solcher in den Tod. Am Morgen des ersten Tages der Woche wird er vom Vater im Geist zum Leben auferweckt. Und das alles geschieht, damit wir im Geist leben und zur Gemeinschaft des Dreifaltigen gelangen können.
Wer ein Kreuzzeichen macht bekennt, dass nur im Kreuz das Heil der Welt ist, weil wir Menschen durch das Kreuz erlöst worden sind und nur durch das Kreuz zu Gott gelangen können.

Mittwoch, 13. November 2013

Nur Güte und Liebe werden mich verfolgen alle Tage meines Lebens

Manchmal tut es gut, einen Psalm auch in einer anderen Übersetzung zu beten. So ist es mir heute mit Psalm 23 geschehen. Vers 8 lautet da: “Nur Güte und Liebe werden mich verfolgen alle Tage meines Lebens”. Wer Psalmen betet kann für gewöhnlich nicht jeden Vers mit der gleichen Aufmerksamkeit singen. Aber manchmal bleibt man an einem Wort hängen, weil es gerade das eigene Leben und Denken betrifft. Dann gelingt die Identifikation des Beters mit dem Psalm und seinem Kontext, dann ist daraus mein eigenes Gebet geworden.
In diesem Fall gab die Wortwahl den Ausschlag. Die Einheitsübersetzung schreibt: “Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang.” Hier ist die Formulierung stärker. Was bedeutet es, dass ich von Güte und Liebe verfolgt werden, und zwar ausschließlich? Ist das nicht ein ziemlicher Euphemismus? Wir wissen doch, dass die Welt weder gut noch lieb ist. Wir wissen, dass viele Christen verfolgt und bedroht werden. Von Güte und Liebe ist da keine Spur. Und auch denen, die eine Humanität leben wollen, geht es damit oft schlecht. Daher gilt es, als vernünftiger Mensch stets auf der Hut zu sein. Redet also der Psalm hier nicht völlig an der Realität vorbei und färbt die Welt in wunderbarem Rosarot? Wenn das so ist, dann wäre die alte Kritik berechtigt, das Christentum diene nur der Vertröstung.
Der 23. Psalm, “Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen”, bringt unbeirrbares Vertrauen in Gott zum Ausdruck. Er ist ein gutes, fröhliches, vertrauensvolles Gebet. Aber wer ihn betet weiß auch, was die finstere Schlucht und das Unheil sind. Er kennt die Not, bleibt aber nicht dabei stehen, sondern sieht das große. Vielleicht ist das ein wichtiger Hinweis für eine christliche Haltung. Was ich habe, ist mir von Gott geschenkt. Als Christ weiß ich, dass alles, was geschieht, in einem größeren Kontext steht, daher kann ich auch immer mehr sehen, als nur gerade die unmittelbare Situation, mit dem Bild des Psalms: auch in der dunklen Schlucht weiß ich, dass am Ende die helle Weite steht. Wer auf Gott vertraut, wird von Güte und Liebe verfolgt, weil er die Güte und die Liebe überall findet und zu schätzen weiß.

Dienstag, 5. November 2013

Helden und Heilige heute

Ob ein Mensch heilig sein kann und wie das möglich ist, das gehört heute zu den umstrittenen theologischen Fragen. Viele Menschen haben Reserven, wenn es um die Heiligenverehrung geht. Manches daran scheint auch durchaus kritikwürdig. Anderseits ist die Sehnsucht nach Vorbildern und Fürsprechern, nach exemplarischen Menschen und Vertretern einer echten Nähe zu Gott sehr groß. Und dann hat das Zweite Vatikanische Konzil seine Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium noch in einem Kapitel über die allgemeine Berufung zur Heiligkeit gipfeln lassen.
Wenn der Völkerapostel Paulus die Gemeinden, an die er seine Briefe schreibt, als “Heilige” anspricht, meint er nicht, dass sie alle perfekt sind. Paulus hält ihnen ja ihre Vergehen auch deutlich vor. Und doch sind alle Christinnen und Christen von Gott selbst zur Heiligkeit berufen und zur Heiligkeit befähigt. Heilig werden können nur die, die Gott, der selbst der Heilige schlechthin ist, nachahmen. Zuerst muss also klar sein: Gott ist der Heilige, und Jesus Christus, sein Sohn, und der Geist, den wir den Heiligen Geist nennen. Wir als Menschen können nur heilig werden, indem wir sozusagen ein bisschen von dieser Heiligkeit für uns abbekommen. Indem wir uns von Gott heilig machen lassen.
Als die Christen noch in kleinen Gruppen inmitten einer heidnlschen Welt lebten, war allen Gläubigen klar, dass sie heilig werden wollen und wie das geht. Wenn aber das Christsein in einer staatlich unterstützten Kirche selbstverständlich geworden ist, dann schwindet diese Klarheit. Dann braucht es Vorbilder, an denen ich Heiligkeit ablesen kann. Nicht zufällig entstehen nach der Konstantinischen Wende die ersten Klöster. Mönche und Nonnen entfliehen der Welt, um ausschließlich nach Heiligkeit zu streben. Sie werden so gewissermaßen unsere Vertreter bei Gott und die Vertreter des Heiligen in der Welt.
Diese Struktur beobachte ich auch heute. Menschen suchen nach Spiritualität, nach religiösen Erfahrungen. Sie suchen auch nach gelungenem Leben. Freilich ist das nicht einfach. Umso wichtiger erscheinen daher Menschen, die das vorleben. Papst Franziskus in seiner demonstrativen Schlichtheit kommt dieser Suche entgegen. Er steht für etwas, das viele schon vergessen haben. Er weiß scheinbar, worauf es wirklich ankommt. Aber auch andere Vorbilder sind in den Medien zu finden. Gleichzeitig müssen diese Vorbilder allzu oft auch meine Vorstellungen davon, was richtig ist, erfüllen. Und dann wiegt es doppelt schwer, wenn irgendetwas nicht perfekt ist, wenn jemand anders reagiert, als ich erwarte, Fehler macht, scheitert oder einfach nur menschlich handelt.
In der Medienwelt kann man Vorbilder austauschen, wenn sie nicht mehr passen. In der realen Welt ist das nicht mehr so leicht. Da muss ich mit Enttäuschungen zurecht kommen. Und auch bei den Heiligen, die man in der Kirche verehrt, passiert es immer wieder, dass dunkle Punkte erscheinen, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Und dann kommen Zweifel auf: Wie kann so jemand heilig sein?
Da tut es gut, sich einige Grundsätze wieder neu ins Gedächtnis zu rufen:
1. Jeder darf, niemand muss Heilige verehren. Die Heiligenverehrung soll eine Hilfe für mein Leben und meinen Glauben sein. Das gilt, in der entsprechenden Weise, auch für lebende Idole.
2. Auch Heilige und Idole sind und bleiben Menschen, mit aller Fehlbarkeit, die dazugehört. Wir verehren sie ja gerade, weil sie sich in ihrer Menschlichkeit bewährt haben.
3. Bei aller Verehrung muss ich nie vor meinem Idol Bestand haben, sondern vor mir selbst und vor Gott. Mein Leben und meine Berufung sind mir selbst aufgegeben und ich kann meine eigenen Schwächen nicht dadurch verbessern, dass ich von anderen besonders viel Stärke verlange.
4. Die Vorbilder sollen mir helfen, meinen richtigen Weg zu finden. Tun sie das nicht, dann kann ich mir andere Vorbilder suchen, ohne deshalb den Respekt vor diesen Menschen zu verlieren. Respekt verdienen sie als Menschen aber auch deshalb, weil sie mir gestatten, bei ihnen in meinem kleinen Menschsein etwas zu lernen.