Am Ende einer Lesung heißt es: “Wort des lebendigen Gottes”. Weil wir von der Inspiration durch den Heiligen Geist ausgehen, nennen wir die Bibel Heilige Schrift. Was aber bedeutet Inspiration und wie könnten wir uns das Wirken des Geistes vorstellen?
Wenn man davon ausgeht, dass der Bibeltext sozusagen vom Heiligen Geist diktiert wurde und der Schreiber (Schreiberinnen vermutlich selten) einfach Wort für Wort mitgeschrieben hat, spricht man von Verbalinspiration. Dann ist jedes Wort unanfechtbar, ja sogar jeder Buchstabe, wie das etwa die Kabbalisten annehmen. Dann ist das Wort Gottes mit den Worten der Bibel identisch. Wenn ich dann etwas nicht verstehe, ist das allein meine Schuld. Ich muss mich einfach mehr bemühen oder die richtigen Leute fragen.
Wenn man aber davon ausgeht, dass Menschen von etwas erzählen, das von Gott gewirkt wurde, dass also die Geschehnisse mehr erzählen, als wir auf den ersten Blick vermuten, nennt man das Realinspiration. Die Israeliten sind durch das Rote Meer gezogen und haben dabei erfahren, dass Gott sie aus der Gefangenschaft führt. Davon erzählen sie. Die Aufgabe der Interpretation ist dann, Ereignisse als Wirken Gottes an seinem Volk zu verstehen.
Wirkt der Heilige Geist aber auf den Schreibenden selbst (und im übrigen auch auf die Lesenden), dann ist von Personalinspiration die Rede. Dann ist Inspiration ein dialogischer Vorgang zwischen Gott und Menschen. Wenn andere diese Texte lesen, dann ist ihre Aufgabe, sich sozusagen am Dialog zu beteiligen, wozu der Heilige Geist auch hilft. Das heißt aber, die Schrift als Wort Gottes zu lesen, ist nur im Glauben möglich - und das gilt jedenfalls auch für die anderen beiden Modelle.
Das Zweite Vatikanische Konzil favorisiert die letzte Vorstellung, das Erste Vatikanische Konzil und das Konzil von Trient lassen die Frage offen. Die Rede der Personalinspiration ist deshalb von Vorteil, weil sie Inspiration als einen lebendigen Vorgang fasst und weil sie manche Widersprüche schon im Ansatz verhindert. Was mit den anderen Vorstellungen gesagt werden möchte, dass sich Gott untrüglich in der Schrift mitteilt, das ist dabei auch aufgenommen.