Montag, 2. Juni 2014

Ohne dein lebendig Wehn nichts im Menschen kann bestehn

Die Tage zwischen Himmelfahrt und Pfingsten sind in der katholischen Liturgie traditionell mit der Erwartung des Heiligen Geistes verbunden, sie dienen sozusagen der Vorbereitung auf das Pfingstfest. Fünfzig Tage nach Ostern, am jüdischen Schawuot oder Wochenfest, feiern Christen Pfingsten, pentekoste heißt griechisch der fünfzigste (Tag). An diesem Tag kam, so erzählt die Apostelgeschichte, der Heilige Geist auf Maria, die Apostel und einige andere herab. Vom Geist getrieben stießen sie die verschlossenen Türen auf und verkündeten Christus allen Menschen in Jerusalem, also konkret den Juden aus aller Welt.
Das Thema könnte dazu verleiten, lang und ausführlich weiterzuerzählen, wie der Heilige Geist in den Frühzeiten der Kirche gewirkt hat, oder was sich in der Bibel alles dazu findet. Vielleicht hole ich das bei Gelegenheit nach. Hier aber soll etwas anderes im Mittelpunkt stehen. Ich bin nämlich der Überzeugung, dass der Heilige Geist auch heute wirkt und überdies meine ich, dass alle dieses Wirken erleben können. Wie aber wirkt der Geist in allen Menschen oder zumindest in allen Getauften?
Heutzutage wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass Menschen selbstverantwortlich und selbstbefähigt sind. Ich kann und soll alles selbst entscheiden, selbst durchführen, niemand kann mich zwingen. Jeder Gedanke, dass Gott in mein Leben eingreift oder hier auch nur irgendwie einwirkt, scheint mich schwach zu machen. Deshalb ist die ganze traditionelle Gnadenlehre in Verruf geraten, weil sie angeblich die Menschen nur schlecht redet.
Völlig deplatziert scheint daher auch eine Strophe aus der Pfingstsequenz (12. Jh., Stephan Langton zugeschrieben):

Sine tuo numine    Ohne dein lebendig Wehn
Nihil est in homine,    Nichts im Menschen kann bestehn,
Nihil est innoxium.    Nichts ohn’ Fehl und Makel sein.

Freilich ist es nicht so, dass der Mensch von sich aus nur sündigen kann, alles andere aber ein anderer für ihn tun muss. Der Mensch an sich wäre also nur schlecht. Das würde der bleibenden Zusage Gottes an die Schöpfung widersprechen: “Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und es war sehr gut” (Gen 1,31). Und doch sagt die menschliche Erfahrung, dass das radikal Gute für Menschen schwer zu erreichen ist. Viel zu viele Irrwege, Ablenkungen und auf alle Fälle ständig der Blick auf mich selbst halten mich davon ab, dass das Gute gelingt. Dann aber gelingt es mir doch, oft völlig unerwartet und nur, weil mir irgendetwas zugeflogen ist, mir jemand geholfen hat oder etwas wider erwarten einfach gegangen ist. So wirkt der Heilige Geist, unerwartet und doch spürbar.