Dienstag, 30. Juni 2015

Schöpfung und Verantwortung

Wenn heute von Schöpfung die Rede ist, denken die meisten zuerst an die Natur und die Umwelt. Die Erfahrung von Umweltzerstörung und Ressourcenverschwendung in den letzten Jahrzehnten haben das Bewusstsein dafür geschärft, dass die Welt uns Menschen nur geborgt ist und das eigene Leben ein Geschenk, für das die Menschen Verantwortung übernehmen müssen. Während sonst Sünde und Schuld eher Begriffe sind, die tunlichst vermieden werden, besteht ein Konsens, dass wir uns mit der Zerstörung der Umwelt schuldig machen, zumindest indem wir kommenden Generationen und anderen Lebewesen auf dieser Erde die Lebensmöglichkeit rauben. Die Verantwortung für die Schöpfung betrifft natürlich den Wald und bedrohte Tierarten, das Meer und den Schutz bisher unberührter Lebensräume. Umweltschutz bedeutet also die Wahrnehmung der Schöpfungsverantwortung.

Papst Franziskus hat dem ganzen Fragenkreis seine jüngste Enzyklika Lodato si gewidmet. Alle Menschen leben in dem “gemeinsamen Haus”, von dem der Papst spricht, wir alle tragen Sorge dafür. Schöpfung und Verantwortung sind ohne Zweifel untrennbare Begriffe. Denn die Erschaffung der Welt gipfelt, nach dem großen Schöpfungshymnus zu Beginn des Buches Genesis, in der Erschaffung der Welt: “Gott schuf also den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau (wörtlich: männlich und weiblich) schuf er sie” (Gen 1,27). Damit ist der Schöpfungsauftrag an die Menschen verbunden, sich die Erde untertan zu machen (Gen 1,28), aber auch, wie es weiter unten heißt, sie zu bebauen und hüten (Gen 2,15).

Jenseits aller Naturromantik ist der Glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, auch ein Gradmesser für das Selbstverständnis des gläubigen Menschen. Denn der Glaube an Gott als Ursprung und Ziel der Schöpfung schließt auch die Überzeugung mit ein, dass ich selbst mir von Gott gegeben und daher immer wieder auf Gott als meinen Urgrund verwiesen bin. Der Mensch und die Welt stehen im Dialog mit Gott, weil sie von Gott ins Dasein gerufen sind und gerufen sind, Antwort zu geben. Die Antwort der Schöpfung ist ihre Schönheit und Vielfalt. Die Antwort der Menschen ist ihr aktives Mittun an der Weiterentwicklung in Freiheit. Mit der Rede von der Schöpfung ist also immer das Menschsein wesentlich angesprochen.